n8ght hat geschrieben:Das sehe ich tatsächlich komplett anders. Wenn ich mich schmerzfrei tätowieren lassen könnte, würde ich das sofort machen! Ich verstehe das nicht, dass man sich ein Tattoo "verdienen" muss. Warum, wieso?
Für mich (persönliche Geschichte, völlig subjektiv... yada, yada) sind Schmerzen untrennbar mit Tätowierungen verbunden & sind sowohl immer wieder ein extrem wichtiger Teil einer Grenzerfahrung- als dass sie in früheren Zeiten sicherlich auch ein wesentlicher Bestandteil einer
rite of passage, in meinem Fall der Übergang vom Kind zum Mann/der Loslösung vom Elternhaus und der Beginn einer Reise in ein eigenes, selbsbestimmtes und eigenverantwortlichen Leben, dargestellt haben.
Vielleicht zum Thema Grenzerfahrung noch eine Hintergrundinfo, die meine Perspektive evtl. etwas verständlicher werden lässt: ich 'leide' schon seit meiner Kindheit an Migräne & habe einen Großteil meines Lebens Schmerzen als extrem negativ und einschränkend erlebt. Mich tätowieren zu lassen, war auch in der Hinsicht eine wirkliche Befreiung, dass ich zum ersten Mal auch positive Nebeneffekte der häufigen Migräneattacken erleben durfte. Ich habe über die Jahre, bezogen auf Schmerz, wohl eine vergleichsweise hohe Toleranzgrenze entwickelt & bin Schmerzen (ganz im Gegensatz zu meinen Erfahrungen in Migräneattacken) in den Tattoo-sessions nicht ausgeliefert, sondern kann sie relativ problemlos kontrollieren.
Ich sperre mich nicht gegen den Schmerz/habe keine Angst davor, schlichtweg weil ich weiß, dass ich schon wesentlich schlimmeres überstanden habe, schaue mir stattdessen einfach an, was passiert und unterteile ihn in Kategorien wie z.b. hell, dunkel, brennend, schneidend klar, dumpf/diffus etc. und ordne ihn auf einer Schmerzskala ein, was ihm ebenfalls Substanz gibt, ihn (be)greifbarer- und es mir (noch) einfacher macht, ihn zu kontrollieren.
Skala: i.d.R. eingeteilt in Werte von 1-10. Im Armbereich komme ich beispielsweise maximal auf eine 5, wohingegen Nieren und love handles sich im Bereich 7-8 bewegen, den ich mit "Scheiße, aber da geht noch was!" beschreiben würde. Eine 9-10 hab ich bisher noch nicht erlebt.
Zum Thema "nicht für jedermann & das ist auch gut so":
Ich komme, was Tätowierungen angeht, wohl tatsächlich noch aus einer anderen Generation & so sehr ich es auch begrüße, dass Tätowierungen es geschafft haben, als eine Kunstform anerkannt zu werden, sehe ich neben den unendlich vielen positiven Konsequenzen, die das zwangsläufig mit sich bringt (Qualität, Vielfalt etc.) leider auch die negative Seite, dass viel von dem Charme, den Tätowierungen mal hatten, zugunsten einer reinen Modeerscheinung geopfert wird. Designs, wie beispielsweise die beliebten
brass knuckles oder auch
Messer o.ä. in allen Variationen, welche in früheren Zeiten relativ deutlich ne message wie "If you step on me, i'll step all over you!' transportiert haben, sind mittlerweile meiner Meinung nach deutlich weniger klar & ich stelle mit bisweilen tatsächlich die Frage, ob da jetzt eine echt harte Sau- oder einfach ein völlig ahnungsloser Hipster vor mir steht. Schon relativ schade, eigentlich.
The year is 2083. Gender no longer exists. We all identify as different flavors of Doritos. I am Cool Ranch and this is my story.