Hallöchen,
vor zehn Jahren trat ich einen Job in ´nem Fahrrad-Geschäft an. Der Chef hatte mich gefragt, ob ich - als bisheriger Stammkunde - Bock dazu hätte. Zu dem Zeitpunkt trug ich ein paar ''Fucktümer'' auf den Armen, lange Haare, Piratentuch, Vollbart und gammelige Klamotten. Nach und nach führte ich alle anliegenden Arbeiten (Reparatur/Wartung, Montage, Bedienung/Beratung der Kunden usw.) aus.
Und peu á peu wurden die alten Tattoos gecovert. Die Probleme, die ich mit einigen wenigen Kunden hatte, bereiteten auch dem Senior- und Juniorchef Kopfschmerzen. Ein Erlebnis ist mir ganz besonders im Gedächtnis haften geblieben: Ein vielleicht 15-Jähriger kam in den Shop und meinte, seine Kumpels wollten was kaufen, trauten sich jedoch nicht in den Laden, weil sie Angst hätten, dass ich ihnen auf´s Maul haue

!
Ich erklärte dem Bengel, dass sich auf die Art schlecht Bikes oder Teile verkaufen ließen. Er holte seine Kumpels ´rein . . .
Jetzt arbeite ich (als Ein-Euro-Jobber) in einem Altenheim. Zum Einstellungsgespräch trug ich - jahreszeitlich bedingt, es war Januar - meine ''zivilste'' Garderobe. Und was geschah . .?! Die Sozi-Tante mäkelte doch tatsächlich an meinem Totenkopf-T-Shirt ´rum

!! Ich gab ihr zu verstehen, dass man mir vor ´nem Vierteljahrhundert zum letzten Mal Klamotten-technische Vorschriften gemacht habe - und dass sie gewiss nichts daran ändern werde. Und dass ich eigentlich - wenn´s wärmer ist - GANZ, GANZ ANDERS ´rumlaufe!
Und jetzt . .?! Jetzt arbeite ich in diesem Heim, viele der alten Bewohner haben mich schon beinahe ins Herz geschlossen. Die (fest angestellten) Mitarbeiter, die mich aufgrund meines beruflichen Status´ oder wegen meines verwegenen Outfits herablassend behandeln, weise ich - kultiviert, aber dennoch vehement - in ihre Schranken. Das funktioniert recht gut.
Zusammenfassend kann ich sagen: Als ''bunter Bürger'' ist man in einer von Doppelmoral durchwirkten, spießigen und nur scheinbar toleranten Gesellschaft natürlich eine gefundene Zielscheibe -
wenn man es zulässt! Viele angepasste Normalis sind einfach gefangen in ihren - von ihnen selbst vorgegebenen! - Zwängen. Es bereitet ihnen Angst, mit jemandem konfrontiert zu werden, der diese Grenzen durchbricht. Nicht selten spricht auch der blanke Neid aus ihnen. Viel lieber wären sie ebenfalls ''anders'', individueller - aaaber was würden Freunde, Verwandte, Nachbarn und Arbeitgeber dazu sagen . . .
Gruß, Paule