Also,
da ja die ganze Diskussion sich jetzt tatsächlich um einen Rätekommunismus als Staatsform dreht, fassen wir mal zusammen, was dessen Grundkonzepte sind und gucken mal, was davon überhaupt und dann noch bei vorsichtiger Extrapolation der gegenwärtigen Entwicklungen noch funktionieren kann:
Ich lasse jetzt mal dem Mumpitz mit der Arbeiterklasse und dem Bürgertum und all dem weg – denn ich denke die Idee, einige „Klassen“ aus der politischen Willensbildung auszuschlie0en ist so offensichtlicher Stuss, dass das wohl niemand ernsthaft fordern wollte (Davon mal abgesehen, dass so etwas wie eine „Arbeiterklasse“ innerhalb der kommenden 20-30 Jahre eh verschwinden wird).
Demnach basiert die gesamt Herrschaftsausübung auf der Herrschaft sogenannter regional zu schaffender „Räte“, welche durch das Volk gewählt werde, die Legislative, Exekutive und Judikative in sich vereinen (dass allein diese Idee dem Konzept eines modernen Rechtsstaats elementar widerspricht und ich denjenigen Salonkommunisten gerne sehen würde, der bereit wäre, sich dieser Herrschaftsform z.B. in einigen Gemeinden von MekVop zu unterwerfen, lasse ich mal außen vor – man muss ja auch mal radikal denken dürfen) und einem imperativen Mandat unterliegen, also von der Mehrheit des „Wahlvolks“ jederzeit abgewählt werden können.
Also gut – jedes System, welches gleichzeitig alle Staatsfunktionen in sich vereinen möchte, braucht zwangsnotwendig Geld (oder irgendeine andere Form der Währung). Dieses kann mal blöderweise nicht drucken (ich hoffe, die finanzwissenschaftlichen Gründe dafür niemandem erklären zu müssen, weil der Text sonst ausartet). Will man die Unabhängigkeit der Räte aufrecht erhalten, müssten sie dieses selbst einnehmen (sonst kann man sich die Idee auch gleich sparen). Demnach läge das Steuerfindungsmonopol ausschließlich bei den jeweiligen Räten – das wären dann auf dieser Organisationsstufe wohl die Kommunen.
Also hätten wir ein System in dem jede Kommune jede beliebige Steuer selbst erheben könnte – was passiert? Na klar: Bürger und Unternehmen ziehen dorthin, wo das jeweilige Steuersystem für sie an günstigsten ist. Das wären wahrscheinlich diejenigen, die ihre Einnahmen auch aus Natur- und Bodenschätzen zu gewinnen im Stande wären und damit niedrige Steuern anzubieten hätten. Demnach wären in einem Staat erhebliche Wanderungsbewegungen zu beobachten. Dort tritt dann irgendwann Wohnraumknappheit ein – was zweierlei Effekte haben könnte. Entweder es wird wie wild gebaut, was dann natürlich eine massive „Verstädterung“ einer Region zur Folge hätte - mit all den daraus sich ergebenden Konsequenzen: Irgendwann wird dann das Leben dort so unattraktiv, dass diejenigen, die es sich leisten wollen (oder können) dorthin abwandern, wo das Leben teurer ist – so wird aus alten „Brachflächen“ plötzlich Luxuslebensraum (was man so modern als „Gentrifizierung“ bezeichnet).
Oder die „steuergünstigen“ Kommunen betreiben von vornherein eine „Abwehrpolitik“ gegen neue Zuzöglinge – was letztlich auch einer Art „Elitenbildung“ Vorschub leistet.
Was ich damit sagen will: Wenn man solch ein System etabliert, dann kann man eigentlich nicht verhindern, dass die jeweiligen „Verwaltungseinheiten“ miteinander in einen Wettbewerb miteinander treten (das ist bei den Steuern nur eines von vielen Beispielen) es sei denn, man etabliert eben doch ein überwölbendes Zentralorgan (welches in dem System ja auch alle Staatsgewalten in sich vereinen müsste). Das wäre dann letztlich nichts anderes als ein „Wahlabsolutismus“ – eigentlich auch ne lustige Idee – aber die ist wohl nicht gerade das Ziel der Apologeten eines Rätekommunismus.
Uns jetzt stellen wir uns ein solches System auch noch in einer radikal vernetzten Gesellschaft vor – also einer solchen, in der jeder jederzeit einen Einblick darin hätte, was in den anderen Organisationseinheiten so läuft und damit natürlich auch genau wüsste, wo er/sie im Verhältnis zu dem restlichen Staatsgebiet deutlich besser oder schlechter behandelt würde…… ich glaube man braucht nicht zu viel Phantasie um sich die Folgen auszumalen.
Was ich damit sagen möchte: Solche Ideen klappen vielleicht noch dort, wo die einzelnen Organisationseinheiten weitgehend unabhängig von den anderen agieren können und vor allem die Bürger nicht mobil und uninformiert sind. In einer hochtechnologischen Gesellschaft kann man das die sich zwangsnotwendig aus einem Rätesystem sich ergebende Ungleichbehandlung der Staatsbürger nicht aufrechterhalten. Das macht die einzelnen Organisationseinheiten letztlich arbeitsunfähig.
Ich gebe zu, das ist jetzt nur einer dieser Beispiele dazu, was nicht funktioniert – aber ein Ausschlußsystem ist ja auch ne Methode des Erkenntnisgewinns