Aus der Presse: Was die Zeitungen so schreiben....Meinung

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Re: Aus der Presse: Was die Zeitungen so schreiben....Meinun

Beitragvon erdbeerfeldt » 17.06.2011 16:57

Gute Frage: wo zieht man die Grenze?

Meiner Moral nach:
Mag obskur klingen, aber ein Arzt muss einen Verbrecher behandeln, ja.
Aber, ohne das ein Notfall vorliegt muss er keinen Verfassungsfeind -und das Symbolisiert das Symbol- behandeln.

Verrückt ist, dass ich damit bei Mördern, Brandschatzern und Vergewaltigern Ja sage, bei Verfassungsfeinden aber nein. Vielleicht könnte ich das sogar begründen, aber das ist mir zu lang und ich muss zugeben es wäre dünne, würde aber wahrscheinlich über das freiwillige zur Schau stellen laufen.

Wenn ich Urbans Zitat aber richtig verstehe, dann hat der Arzt schlichtweg die Option und am Ende ist das auch richtig, denn eine Zwang zur Behandlung ist im Zweifel schwierig, vor allem wenn in einer solchen Situation Probleme/Komplikationen/ Fehler auftreten. Zumindest soweit andere Ärzte in zumutbarer Erreichbarkeit vorhanden sind. Das war hier der Fall.

Da aber immer davon ausgegangen wird, dass es einen Alternativarzt gibt, kann man das Beispiel auch anders auslegen: Tausche den Arzt gegen den selbstständigen Taxifahrer. Warum zum Teufel sollte der z.B. jüdische Taxifahrer eine Pflicht zur Beförderung haben. Das funktioniert mit Frisören, Anwälten oder was auch immer genauso.


zur Ausgangsfrage: Deshalb zieht man keine Grenze und läßt es dem Arzt, Frisör etc. frei.
Zuletzt geändert von erdbeerfeldt am 17.06.2011 17:17, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Aus der Presse: Was die Zeitungen so schreiben....Meinun

Beitragvon Buddha_Eyes » 17.06.2011 17:02

Also erst einmal danke für die differenzierte Betrachtung von Privat- und Kassenbehandlungen. Bei letzteren sieht die Sache - was die Behandlungsfreiheit angeht - sicherlich anders aus (nun wird es aber in diesem Fall so gewesen sein, daß der Behandlungsvertrag mit dem Krankenhaus geschlossen wurde und lediglich einer die Klinikärzte die Behandlung verweigerte, aber das klammere ich jetzt mal aus).
Aber selbst da sagt § 13 Abs. Abs. 7 BMV-Ä: "Der Vertragsarzt darf die Behandlung eines Versicherten im übrigen nur in begründeten Fällen ablehnen." Der Text das EKV-Ä ist identisch. Im Falle einer Kollision von ärztlicher Gewissenfreiheit (oder sogar persönlicher Zumutbarkeit der Behandlung) und den Patienteninteressen geht in einem solchen Fall nach meinem Verständnis glatt zugunsten der Entscheidung des Arztes aus. Wie der Text der Vorschrift schon andeutet: Klare Grenzen kann es hier nicht geben. Das wird immer ne Einzelfallentscheidung sein.

Es ist auf jeden Fall blödsinn zu glauben, ein Arzt, der nicht jeden Patienten - auch wenn er es mit seiner inneren Überzeugung nicht vereinbaren kann - behandelt, habe in seinem Job nix verloren. Das wäre dasselbe als wolle man einen tief katholischen Arzt dazu bringen, einen Abort vorzunehmen (mal gesetzt den Fall, es handele sich um eine Kassenleistung).. so etwas überschreitet die Grenzen des individuell Zumutbaren bei weitem..

PS: Dieser Satz
.... die absolute Arschlöcher sind und es nicht verdient haben überhaupt auf der Welt zu sein, der Abschaum, Dreck, Mörder, Kinderschänder, Gewalttäter, Vergewaltiger, Verbrecher....

hat mir persönlich echt Angst gemacht... ich hofe für uns alle, daß eine derartige Haltung nicht Allgemeingut ist/wird...
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Re: Aus der Presse: Was die Zeitungen so schreiben....Meinun

Beitragvon dobermann » 17.06.2011 17:20

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Re: Aus der Presse: Was die Zeitungen so schreiben....Meinun

Beitragvon Buddha_Eyes » 17.06.2011 17:25

Wow.... :shock:
Geile Aktion...
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Re: Aus der Presse: Was die Zeitungen so schreiben....Meinun

Beitragvon Mr.Vos » 17.06.2011 17:41

ach Buddha...vielleicht war das etwas undeutlich formuliert. Der Satz ist aus der Sicht der hypothetischen Ärzte formuliert die es ablehnem Menschen zu behandeln die ihnen gehen den Strich gehen. Die absichtliche Überspitzung sollte ein Stilmittel sein um die Haltung solcher hypothetischen Menschen aus meiner Sicht darzustellen und war keine Bewertung meinerseits.

Gruß,
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Re: Aus der Presse: Was die Zeitungen so schreiben....Meinun

Beitragvon OnceAgainICantSleep » 17.06.2011 17:44

@dobermann: wirklich cool! :mrgreen:

@Buddha_Eyes:
Ich stimme dir zu, dass es in diesem Fall der Arzt seine Handlungen ausreichend begründen kann! Betonung liegt auf KANN. Da wir uns allerdings in einer rechtlich gesehen doch recht schwierigen Situation befinden, finde ich nicht, dass einzig und allein das Statement "ich bin Jude" alles von alleine klärt und begründet(wahrscheinlich haben nur die Zeitungen seine Aussage darauf reduziert, sonst fände ich das arg unprofessionel). So leicht kommt man bei der Ärztekammer nicht durch, da brauchts schon ne ellenlange mit Gesetzestexten untermauerte Erklärung... blabla Trauma... blabla plötzliche Konfrontation in unerwarteter Situation... blabla Schock... blabla Beeinträchtigung des Chirurgen... bla.
Ich war überrascht, dass hier im Forum der Kanon sofort "der Arzt hat richtig gehandelt" lief und wollte eigentlich nur darauf hinaus, dass das ganze nicht so einfach ist.
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Re: Aus der Presse: Was die Zeitungen so schreiben....Meinun

Beitragvon Buddha_Eyes » 17.06.2011 18:18

@ Mr.Vos:
Verstanden... alles klar. Da war bei mir wohl der Stilmitteldetektor ausgeschaltet.. Klar ist übrigens auch, daß es nicht richtig sein kann, daß ich als Arzt schlichtweg die Behaödung jeder Person verweigern können sollte, deren Nase, Einstellung, Klamotten (oder Tattoos) mir nicht gefallen.. das ist klar. Bei nem Kassenarzt sollte (und wird) die Behandlungsverweigerung sicherlich die extreme Ausnahme sein

@OnceAgainICantSleep
Ganz ehrlich: Mir würde die Zugehörigkeit zum Judentum völlig ausreichen, um die Nichtbehandlung des betreffenden Patienten zu legitimieren... das ist aber ausdrücklich meine persönliche Wertung..
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Re: Aus der Presse: Was die Zeitungen so schreiben....Meinun

Beitragvon OnceAgainICantSleep » 17.06.2011 18:36

@Buddha:
Wird akzeptiert, ist aber für mich nur in gewissem Maße nachvollziehbar, da sich 1. die persönliche Situation des Arztes meinem Vorstellungsbereich entzieht und ich mich 2. selbst zu absolut null Prozent über meine Religionszugehörigkeit definiere. :mrgreen:
Interessante Diskussion übrigens... :wink:
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Re: Aus der Presse: Was die Zeitungen so schreiben....Meinun

Beitragvon upsidedown » 17.06.2011 20:09

Na, hoffen wa mal nich, dass der Betroffene nich nur wat vom Swastikafreakshop hatte. Aber zugunsten des Populismus geht ja doch mal schnell die Schere im Kopf zu.

@buddha:
Was legitimiert denn dann noch so "Nichtbehandlung"? Ein Araber mit tätowierten Suren aus dem Koran? Ist dann die Verweigerung der Behandlung auch legitim? Muss ich als Deutscher, der öffentlich gegen die israelische Verhaltensauffälligkeit im Palästinakonflikt publiziert, auch Angst um meine Behandlung haben? Darf ein Arzt aus Palästina dann die Behandlung eines Davidsternträgers verweigern? Ist das wirklich etwas anderes?

@erdbeerfeld:
"Verfassungsfeinde" ist ja auch lecker. Dachte schon, Du meinst, dass die Ärzte jetzt die Behandlung unserer Politiker verweigern werden. Aber ne, Du meintest anpolitisierten Plebs, der von der Politik zur Gefahr für die Demokratie zerschwätzt wird.
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Re: Aus der Presse: Was die Zeitungen so schreiben....Meinun

Beitragvon Buddha_Eyes » 17.06.2011 20:17

...ich mich 2. selbst zu absolut null Prozent über meine Religionszugehörigkeit definiere.

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß sämtliche jüdischen Freunde die ich habe sich doch sehr über das Schicksal ihres Volkes definieren. Das hat weniger etwas mit der Religion an sich zu tun (die von den Betreffenden ebenfalls sehr unterschiedlich ernst genommen wird) sondern vielmehr mit dem erheblichen Einfluss, den die Shoah eigentlich auf jede einzelne Familiengeschichte gehabt hat.
Ich denke, es wäre evtl. damit zu vergleichen, dass ich als nicht-jüdischer Arzt jemanden behandeln müsste, der ein Portrait meines toten Großvaters mit dem Spruch "Fuck you, bastard - the world is a better place without you" auf dem Arm tätowiert hätte...

@upsidedown: Ich hoffe sehr (nein, ich weiss es sogar), daß Du den Unterschied zwischen dem Holocaust und Deinen Beispielen irgendwo wahrnimmst...
Natürlich wird es da keine trennscharfen Grenzen geben (können) - aber willst Du einem Arzt das generelle Recht absprechen, die Behandlung solcher Personen zu verweigern, bei denen er es aus persönlicher Betroffenheit nicht kann.... Was ist mit dem Arzt, der den Vergewaltiger seiner Tochter auf dem OP - Tisch hat? Wir werden eben damit leben müssen, daß es hier niemals "mehr" als Einzelfallabwägungen geben wird - und da kann es ja durchaus sein, daß ich da zu anderen Ergebnissen käme, als Du... man kann eben Abwägung und Abwägenden nicht voneinander trennen..
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Aus der Presse: Was die Zeitungen so schreiben....Meinung

Beitragvon upsidedown » 17.06.2011 20:44

Ne Buddha, für die von Dir geforderte Trennschärfe fehlt mir leider der Intellekt. Oder vllt habe ich einfach nur eine andere Sicht darauf, wenn man Menschen einer fremden Religion aus ihrem angestammten Raum vertreibt, in ein Barackenniemandsland sperrt, in den Dreck tritt, bekämpft, beschießt, bombardiert und in Israel Rabbies und Medien einen Hass schüren, der international längst als purer Rassismus erkannt wird.

Wenn dann angesichts eines hakenkreuztätowierten Idioten die Trennschärfe verloren geht, dass sich das allenfalls um einen orientierungslosen Spinner handeln kann und man sich für solche Kinkerlitzchen über seine ärztliche Ethik erhebt, hat man die menschliche Würde die man sich wahren wollte, vielleicht auf dem Weg schon verloren.

Und er hatte weder den Vergewaltiger seiner, noch überhaupt einen Vergewaltiger auf dem Tisch. Auch nicht den Mörder seines Großvaters. Er hatte lediglich einen Spinner mit nem Hakenkreuz auf dem Arm auf dem Tisch.
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Re: Aus der Presse: Was die Zeitungen so schreiben....Meinun

Beitragvon Buddha_Eyes » 17.06.2011 21:40

Mir ist schon klar, daß mein letztes Beispiel mit der Situation des oben beschriebenen Arztes nicht identisch ist. Mir ging es nur darum, zu zeigen, daß es Fälle gibt, in denen wohl jeder einsieht, daß es für einen Kassenarzt auch die Lage gibt, in der sein Gewissen über seiner Behandlungspflicht steht - und daß wir damit automatisch in Abwägungsfragen kommen und damit eben auch eine gewisse Unschärfe bei der Entscheidungsfindung pro oder contra Behandlung nicht zu vermeiden ist.

Ich gebe Dir ansonsten vollkommen Recht, was deine Verurteilung der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern angeht.. da würden wir uns wohl schnell über eine Bewertung einig. Uns so sehr ich Probleme damit habe, ein Unrecht gegen das andere Aufzuwiegen, so denke ich doch, daß die systematische Vernichtung der europäischen Juden im Dritten Reich mit dem Verhalten Israels gegenüber Palästina nicht einmal im Ansatz vergleichbar ist... ohne daß ich dieses billigte.

Selbst wenn ich einmal unterstelle, daß es sich bei dem tätowierten Faschisten um nen dummen Idioten handelte... was ändert das? Mangelnde Intelligenz dürfte wohl eher Grundvoraussetzung für derartiges Gedankengut sein.. ich habe zumindest noch keinen wirklich klugen Faschisten getroffen.. Und auch wenn er an dem Genozid kaum beteiligt gewesen sein dürfte, ganz offenbar hielt er diesen für ne prima Idee. Was würdest Du denn in so ner Situation machen, wenn Dir jemand, der von Dir ne ärztliche Behandlung erwartet, Dir konkludent zuu verstehen gäbe: "Falls jemand Deinen Opa im KZ vergast haben sollte, fände ich das höchst billigenswert"?
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Re: Aus der Presse: Was die Zeitungen so schreiben....Meinun

Beitragvon dobermann » 18.06.2011 16:21

OnceAgainICantSleep hat geschrieben:Ich halte es für in Ordnung abzulehnen, wenn persönliche Involviertheit zu Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit beim Chirurgen kommt oder extremen psychischen Stress/Belastung auslöst. Ansonsten sollten Be-/Verurteilung von politische Ansichten, Strafregister, Lebenseinstellung vom Patienten und whatsoever in einem Krankenhaus NICHTS zu suchen haben.


So sehe ich das auch.
Im übrigen hab ich sowas am eigenen leib gespürt...wurde mal von einem arzt weggeschickt anhand meiner tattoos...drauf geschissen,gibt ja genügend ärzte :p
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Beitragvon mfux » 18.06.2011 18:10

@BuddhaEyes: Nazideutschland-Israel/Palästina, ich seh da keinen grossen Unterschied, nur die Opferzahlen sind anders. Aber systematisch gehen die Israelis auf jeden Fall vor, siehe Uranmunition. Das wird den Gaza-Streifen auf Jahre vergiften und schwer schädigen. Auch werden nachfolgende Generationen an schweren Folgeschäden( Unfruchtbarkeit) leiden... Wenn man das nicht mit System arbeiten nennt, was dann?

Aber is ja egal, USrael sind ja unsere Freunde...
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Beitragvon upsidedown » 18.06.2011 18:21

Vielleicht hat Buddha da auch nur ne sehr juristische Art am Leibe, die Qualität von Vorsatz einschätzen zu wollen.

@Buddha: wie gesagt, das Beispiel mit der Vergewaltigung kommt von Dir und es passt auch als exemplarischer Fall wirklicher persönlicher Betroffenheit. Aber wir reden nicht von dieser persönlichen Betroffenheit. Da lag auch kein Mörder, Vergewaltiger, kein brutaler Capo oder bekannter willführiger Helfer des NS-Regimes auf der Wanne. Einfach nur ein Spinner mit nem tätowierten Hakenkreuz.
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