von Pine » 25.01.2009 1:17
Am interessantesten und informativsten habe ich bisher Jörgs Beitrag empfunden.
Mehr oder Weniger OT (notfalls bitte splitten):
Was hier so an Nebenthemen losgebrochen ist, finde ich ziemlich bedenklich. Denn egal, ob es nur ein emotionaler Spruch ohne tatsächliche Ansichten der Selbstjustiz war oder nicht: Es ist nicht das erste Mal, dass ich solche Sprüche und Andeutungen in der "Szene" (ich meine in diesem Fall Tätowierer/Studiobesitzer) gehört habe. Sprüche, dass man schon dafür sorgen würde, dass nicht jemand zwei Straßen weiter einen Laden aufmache etc.
Und das finde ich nicht nur alles andere als witzig, sondern auch nicht sonderlich klug. Ich kann mir zwar vorstellen, dass es einigen scheiß egal ist, was Außenstehende von einem denken, aber sowas belastet das Bild des Tätowierers. Dass dieser Beruf ohnehin schon mehr als kritisch betrachtet wird, ist schon schlimm (ich persönlich finde es vor allem anstrengend) genug, wenn dann aber selbst in öffentlichen Foren solche Dinge gesagt werden (und man muss in so einem Forum einfach davon ausgehen, dass das Wort eines Pros auf die Goldwaage gelegt wird - ob man es nun möchte oder nicht), ist nicht gut. Wer sowas sagt, schadet sich und seinen Kollegen. Ich möchte damit niemanden angreifen oder anprangern, nur daran erinnern, dass das hier kein Stammtisch-Gespräch ist und dass man, wenn rot "Professional" unter seinem Nick stehen hat, nur bedingt als Privatperson schreibt.
Sabine hat das ein paar Seiten zuvor ganz gut zusammengefasst.
Natürlich schreibe ich nicht als objektive Betrachterin. Es wäre scheinheilig das zu behaupten. Deshalb auch noch mal meine privaten Gedanken, warum es mich überhaupt so kratzt: Erstens finde ich Gewalt armselig. Darauf greifen meiner Meinung nach Menschen zurück, die sich nicht anders zu wehren wissen (dass mich ein paar Leute in diesem Moment wieder besonders beschissen finden, nehme ich einfach mal in Kauf). Ich bin Pazifist. Ich habe als erwachsener Mensch genau einmal zugeschlagen. Ich hab 'nem Typen eine geknallt. Er hat es verdient, ja. Aber ich habe auch nur so gehandelt, weil ich verzweifelt war, auf dem Affekt heraus. Ich würde mir niemals vornehmen, jemandem eine zu kleben. Ich begebe mich doch nicht freiwillig auf ein Niveau, dem ich weit überlegen sein sollte.
Zweitens habe ich in keinem anderen Berufsfeld jemals so etwas erlebt. Natürlich hat Heiko recht, wenn er sagt, Gewalt kommt in allen Schichten vor. Aber wie ich oben bereits schrieb, ist das nicht das erste Mal das ich sowas höre. Und mir ist bisher noch kein Florist oder Goldschmied über dem Weg gelaufen, der sowas sagt wie "wenn mein Lehrling in der selben Straße einen Blumenladen/'ne Werkstatt auf macht, nachdem ich ihn ausgebildet habe, dann schick ich mein Kumpels vorbei..". Irgendwie herrscht in der Szene ein derartiges Misstrauen und zuweilen sogar eine aggressive Grundhaltung, da kann's einem echt angst und bange werden. Und ich frage mich echt, woher das kommt. Schlechte Erfahrung? Konkurrenzkampf? - Aber herrscht der nicht in jedem Berufsfeld, wo man sich als kleines Unternehmen behaupten will? Hat es irgendetwas damit zu tun, dass es keine anerkannte Ausbildung gibt? Steckt da irgendein Zwang hinter beweisen zu müssen, wie ernst der Beruf genommen werden sollte? So jedenfalls geht das nach hinten los.
Und Drittens: natürlich beunruhigt und nervt es mich, weil meine Planung dahin geht, diesen Beruf zu ergreifen. Klar braucht man ein dickes Fell. Aber was soll das? Ich muss den Beruf und die Szene ständig verteidigen und erklären, diplomatisch handeln, und das schon jetzt, da meine Ausbildung noch nichtmal begonnen hat. Natürlich mache ich es. Solange ich dahinter stehen kann (bei so einem Mist wie Selbstjustiz hört's aber auch echt auf.) Und ja, Ihr habt recht, wenn Ihr sagt, die Leute haben Vorurteile. Sie stecken voll davon. (Jeder tut das, ich nehme mich da nicht raus, wenn auch eher in anderen Berichen). "Tätowieren lassen sich nur Assis, Knastis und Rockentypen." "Das ist nur 'ne Modeerscheinung." Bla bla, Ihr kennt das alle zu Genüge. Aber sorry, wenn man sowas liest, darf man sich doch echt nicht wundern. Und das macht mich echt sauer. Weil ich dann blöde dastehe. Ich predige ständig, dass die Leute nicht so engstirnig sein sollen. Dass sich alle Alters- und Klassenschichten tätowieren lassen. Dass die Leute nicht alle Asis sind. Und dann solche Diskussionen in öffentlichen Foren.
Ich bin dankbar für die vielen vernünftigen Antworten. Das Problem ist, dass man als Kritiker nicht nach dem positiven sucht. Und das da Draußen sind nunmal überwiegend Kritiker. Schade, dass sie so nährstoffreich gefüttert werden.
So, nun hat sich die Pine mal wieder in die Schussbahn begeben, aber das kennen wir ja schon :)