Ich glaube, ich werde hier tielweise sehr missverstanden.
Ich will die Leistungen von -guten- Tätowierern nicht minderbewerten oder sagen, dass es gut sei, ohne Leidenschaft an die Sache zu gehen (ganz abgesehen davon, dass ich in desem Topic nicht schreibe, wie, warum, welshalb
ich Tätowiererin werden möchte und was dieser Beruf für mich persönlich bedeutet - denn das würde wieder ganz anders aussehen).
Ich versuche nur zu sagen, dass die Aufregung über jene, die naive Fragen stellen, nicht sein muss. Und dass es ein Beruf bleibt. Den manche aber (unnötigerweise) zur Religion machen. Meiner Meinung nach. Und das eben aus verschiedenen Gründen.
Ich möchte einfach nochmal versuchen, das (meine Sicht der Dinge) irgendwie verständlicher zu erklären. Weil - auch wenn es vielleicht nicht die große Bedeutung hat für meine Zukunft außerhalb des Forums - ich nicht möchte, dass ein falsches Bild von mir entsteht. Und das nur, weil ich es nicht packe, das was ich meine, richtig in Worte zu fassen (ein Grund, warum ich meine Gefühle lieber in meinen Zeichnungen verarbeite).
Ehrlich gesagt, habe ich inzwischen ein derartiges Chaos in meinem Kopf - was das Thema hier gerade angeht, dass ich ein wenig bezweifle, dass ich mich doch noch verständlich machen kann.
Also.. ich finde die Schilderung von Gladiator sehr interessant und gut (hilfreich). Ich denke aber gleichzeitig, dass es viele Berufe gibt, in denen es ähnlich ist. Die Belastung, und das, was alles damit zusammen hängt, bekommt man als Außenstehender nicht oder sehr selten mit. Das bezieht sich jetzt nicht auf das Thema "mit Leidenschaft dabei sein" sondern auf Sachen wie Stalking, Psychomülleimer, Zwischenmenschliches (die Sache mit der Angst und die Angst zu nehmen etc.).
Denn solche Sachen hast Du nicht nur als Tätowierer(in). Ich kann jetzt keinen Vergleich geben, indem Du genau diese Umstände hast. Dennoch hast Du in vielen Berufen zwischenmenschliche Begegnugen und Probleme, die Du auf keinen Infozettel über den jeweiligen Beruf lesen kannst. Die Sachen, die mir gerade einfallen sind dürftig, aber ich möchte trotzdem versuchen ein paar Dinge aufzuzählen: in verschiedenen Dienstleistungsbereichen musst Du Menschen begegenen, die Dir unangenehm sind, sich zum Teil sehr daneben benehmen und trotzdem immer freundlich sein; Du musst Dir Lebensgeschichten anhören, und Dich kümmern, obwohl es eigentlich nicht Dein Beruf ist; gerade Frauen haben im Berufsumfeld häufig mit (sexuellen) Belästigungen und Übergriffen (sowie Stalking) zu tun.
Eine (Zahn-)Arzthelferin z.B. hat bestimmt häufig genug mit dem Thema Angst zu tun, was Gladiator beschrieben hat und in diesem Fall sind die Patienten meistens "nicht mal" freiwillig da.
Die psychologische Betreuung für z.b. Kranken- und/oder Altenpfleger ist auch nicht wirklich nennenswert (demnach was ich gehört habe von einem Freund, der Krankenpfleger ist), obwohl jene des öfteren sterbende Menschen betreuen/begleiten müssen und vielleicht auch noch zusätzlich mit der verzweifelten Verwandtschaft zu tun haben. - Sicher kann man soetwas in der Berufswahl vorher erwarten, aber die Realität ist dann meist doch etwas anderes.
Zu den Kreuzschmerzen kann man sich zum Vergleich Leute auf dem "Bau", unter Tage oder ähnlichem angucken, die mit 45 Jahren wirklich körperliche Wracks sind.
Und auch der Chefkoch wird von körperlichen Beschwerden sicher was erzählen können, oder?
- Mit diesen Vergleichen möchte ich das, was Du (Gladiator) geschrieben hast, nicht abtun. Ganz bestimmt nicht! Es macht das ganze ja nicht besser oder leichter erträglich.
Ich versuche nur irgenwie zu erklären, warum ich schreibe, dass es für mich eine Art Handwerk/Dienstleistung ist. Vielleicht ist Handwerk auch zu eingeschrenkt, dennoch würde ich es am ehesten in diese Sparte einordnen.
Der Unterschied macht dann nachher die Leidenschaft. Ich würde es so versuchen zu formulieren: Ein Tätowierer ist ein Handwerker. Ein Tätowierer mit Leidenschaft ein Künstler.
Die Kunst des zwischenmenschlichen Miteinander und jemanden die Angst zu nehmen, der Aufbau einer Beziehung zu dem Kunden ist in den Worten Beruf, Dienstleitung, vllt. auch Handwerk eben mit dabei. Brauchst Du aber, wie oben beschrieben nicht nur beim Tätowieren.
Zu dem, dass die Haut immer wieder unterschiedlich ist. Glaube ich Dir. Eine Freundin von mir sagte neulich so schön: "Ich bin die mit der Steinhaut - angenehm für mich, scheiße für den Tätowierer."
Aber auch Holz ist nicht immer gleich. Und Haare nicht. Und die Person, der die Haare wachsen, die, die immer mit dem Kopf wackelt, auch nicht. Natürlich wachsen die Haare nach, wenn was schief geht, aber zur Verantworutung und Dauerhaftigkeit später.
Ich weiß, die Vergleiche mögen etwas hinken. Aber es gibt viele Jobs, in der die Materie nicht immer die gleiche ist und wo man sich jedes Mal aufs neue darauf einstellen muss.
Vielleicht sind es nicht exakt die selben Probleme, die Du in anderen Berufen hast. Aber mit Problemen zu kämpfen, haben sehr, sehr vielen Menschen in ihrem Beruf. Dessen bin ich mir sehr sicher. Nur darüber geredet wird eben auch nur bedingt und in kleineren Kreisen.
Das, was für mich ein wirklicher Unterschied ist, ist, dass man als Inker etwas macht, was von Dauer ist, lebenslänglich. - An dieser Stelle allerdings würde ich die Verantwortung greößtenteils auf den Kunden schieben. Womit ich nicht sagen will, ich steche 'ne Gurke und er hat das Problem. *lol* - Nein, das natürlich nicht! Das wäre mehr als verantwortungslos (ja, ein Teil der Verantwortung liegt auch bei mir, als imaginärer Inkerin. Aber eben nur ein bestimmter Teil). Ich meine die Verantwortung der Entscheidung, sich ein Tattoo stechen zu lassen - das eben für immer ist - und die Verantwortung der Wahl des Studios/des Tätowierers (mit der vorherigen Sammlung von Informationen).
Zusammengefasst denke ich, dass hinter vielen Berufen mehr steckt, als man auf den ersten Blick erkennt. Und dass es aber auch in allen Möglichen Branchen Leute gibt, die da naiv herangehen, dummklingende (teilweise vielleicht auch tatsächlich dumme) Fragen stellen und sich das Ganze in rosarot vorstellen.
Wer kennt nicht Kinder, die -weil sie Tiere so kuschlig und süüüß finden- Tierarzt werden wollen. Und spätestens mit dem ersten Praktikum in der 7. Klasse kommt dann die Ernüchterung. Ist doch nichts anderes - nur halt ein bisschen subtiler und ein vom Alter her früher auftretendes Ereigniss.
Ich weiß nicht, ob ich jetzt alles gesagt habe, was ich sagen wollte. Vermutlich nicht. Ich hoffe nur, ich konnt meine Ansicht doch ein bisschen besser verständlich machen als vorher.
Das andere Thema noch (könnte man vielleicht splitten?)..
Die Sache mit einer staatlichgeregelten Ausbildung finde ich schwer zu diskutieren. Ich habe schon einige Argumente dagegen gehört, aber auch viele dafür.
Ich persönlich, in meinem jetzigen Zustand und mit meinen jetzigen, noch recht magelhaften Wissen, tendiere für eine geregelte Ausbildung. Das aus verschiedenen Gründen. Ich finde es saumäßig gefährlich, dass Menschen ohne jegliches Grundwissen, andere Menschen verstümmen dürfen. Das bezieht sich jetzt auf's Tätowieren
und auf's Piercen. Jene hier im Forum, die das beruflich machen, sollen das bitte keinesfalls als Angriff werten. (Ich denke, die, die hier sind, wissen was sie tun und sind auch gut darin. -Persönlich Auffassung, soll keine Bauchpinselei sein.- Anderenfalls wäre es auch nicht sonderlich schlau, sich in einem solchen Forum zu präsentieren.)
Ich will jetzt auch nicht alle Argumente (pro und kontra) aufführen, dafür habe ich schon viel zu viel geschrieben und kann mich nicht mehr genug konzentrieren. Ich glaube nur, man könnte auch bei der Zulassung zu einer staatlichgeregelten Ausbildung selektieren. Gleichzeitig kann sichergegangen werden, dass gewisse medizinische und hygienische Grundlagen vorhanden sind, die zum Schutz aller Beteiligten.
Allerseits noch einen ruhigen und erholsamen Sonntagabend.