Dieser ganze Jugend- und Schönheitswahn geht mir, ehrlich gesagt, auf den Zwirn. Immer der Tenor, wie denn die Tätowierungen aussehen, wenn man alt ist. Na wie wohl? Faltig halt. Na und?
Im Stern der letzten Woche war das Thema Körperkult und Schönheitswahn die Titelgeschichte. Da lassen sich Leute die Zehen kürzen, um in die Schuhe eines bestimmten Designers zu passen. In Afrika gehen Bleichsalben für die Haut wie Gummibärchen über die Theke. Und es gibt Zeitgenossen, die sich den Anus bleichen (!) oder die Schweißdrüsen absaugen lassen. Ein Wahnsinn. Die ganze Welt eifert dem westlichen Schönheitsideal nach. Wenn es medizinisch notwendig ist, z. B. nach einem Unfall oder eine Krankheit, ist gegen derlei Eingriffe ja nichts einzuwenden. Aber den Anus bleichen und die Zehen kürzen lassen?
Ich bin 44 und habe mich ganz gut gehalten. Das bleibt natürlich nicht so und natürlich sehe ich nicht mehr aus wie 25, die Haare ergrauen langsam. Das ist mir schlicht egal. Ich mag meinen Körper wie er ist (schmale Schultern, rappeldürr, dünne Ärmchen) und wie er auch immer mal sein wird (schmale Schultern, rappeldürr, dünne Ärmchen und jetzt neu: mit Falten!), ich mag meine Tattoos, wie immer diese mal sein werden. Meine bessere Hälfte wurde dieses Jahr 50. Wir sind seit 14 Jahren zusammen und 14 Jahre gemeinsam gealtert. Am Körper geht das nicht spurlos vorüber, klar. Aber auch ein reifer Körper ist schön, wenn er gepflegt und etwas in Form gehalten wird, was wirklich kein Hexenwerk, dafür aber gesund ist.
Mit dem Körper, der Haut, altern auch Tätowierungen. Dessen ist (sollte) sich jeder bewußt (sein). Ich sehe auch gern alte Tätowierungen an alten Menschen. Die farbige Haut ist Teil des Lebens, Teil des Alterns, teil des Charakters und gerade die älteren/alten Leute erzählen gern die Geschichte hinter den Tattoos. Das reicht von „ich wollte einfach dieses Motiv“ bis zu sehr bewegenden Geschichten.
Es ist ja recht spannend, dass Tätowierte dort gern pathologisiert werden, während die psychologischen Mechanismen hinter der eigenen - teil fanatischen - Abneigung gegen Tätowierungen nicht hinterfragt werden. Das wäre durchaus mal ein interessantes Beschäftigungsfeld.
Meine Vermutungen sind dergestalt, daß das ist zum Teil Schubladendenken (Tätowiert -> Knacki) und, so seltsam das klingt, zum anderen Teil Neid ist. Es gibt Zeitgenossen, welche durchaus gerne ein Tattoo möchten, aber die Schmerzen scheuen. Der kleinste Teil der negativ behafteten Aussagen in den Kommentaren dürfte Tätowierungen tatsächlich so vehement ablehnen.