geht das nur mir so? (frage an studios & tätowierer)

[Rusty]

Was glaubst du wieviele briefköpfe ich im wordformat bekomme?
in der woche sicher min. 1.
egal sprecht das topic hier. machen wir per pm

[kill-o-bite]

Wow, sehr interessantes Thema, bei dem beide Sichtweisen beleuchtet werden.

Meine Meinung : Ich kann durchaus verstehen, daß sich aus Sicht des Künstlers, der sich weiterentwickeln will, der zeigen will, was in ihm steckt und der kreativ geradezu sprudelt, ein gewisser Frust und eine Art Überdruss einstellt, wenn er immer wieder die "einfachen" Massenmotive sticht oder stechen muss. Zumal es dem Künstler bestimmt sehr häufig um Individualität, Originelles und/aber auch um Authentizität geht, um seinen Stil und seiner Vorstellung eines Motivs den Stempel aufzudrücken. Die Hemmschwelle bei diesen Leuten ist natürlich sehr gering, wenn es darum geht, gewagte, großflächige, bunte, außergewöhliche Motive zu stechen. Weil man sich damit täglich beschäftigt. Blödes Beispiel : Ein Pathologe hat auch kein Problem damit, ne Wasserleiche zu obduzieren, jeder andere würde beim Anblick schon kotzen. Versteht ihr was ich sagen will ? Für den Anfänger, nich für jeden, klar, ist schon das kleinste Pupstattoo gewagt. ZUmal er überhaupt nicht den künstlerischen Weitblick und die Motivvielfalt hat, wie jemand, der sich intensivst mit sowas beschäftigt. Den Trägern eines Tattoos muss es nicht immer um die Abgrenzung durch das Motiv ansich gehen, sondern um die Ästhetik. Wenn man den Blick für Kunst hat, kann man diesen Begriff natürlich ewig weit fächern. Der normale Kunde ist oftmals weit einfacher gestrickt. Ihm geht es doch darum ein sauberes, für ihn sehr schönes Motiv gestochen zu bekommen. Darin, und nicht zwingend durch das Motiv drückt er seine Individualität aus. Auch wenn es paradox ist, daß so viele Leute sich die selben sachen stechen lassen. Außerdem entspricht es seinem Wunsch genau dieses eine Flash gestochen zu bekommen, das ist seine eigene persönliche Freiheit und seine eigene Entscheidung und damit seine Individualität. Und damit ist er ja glücklich. Wenn die Leute sagen "Wow, sieht troll aus, würde ich mir aber nicht stechen lassen..." fühlt sich der "gefrustete" Künstler schon doof, weil er bestimmt denkt, man würde sich als Kunde seiner Kreativität verwähren, für die meisten Kunden sind Tattoos doch auch schon ein Lernprozess und eine Annäherung denke ich. Nicht jeder muss einen Ferrari fahren, der extra für ihn customized wurde, manche fahren ganz gut mit ihrem Golf oder ihrem Corsa. Nur will sich auch keiner doof vorkommen, wenn er vom Autohändler gesagt bekommt, geh um die Ecke, das Auto was Du haben willst, gefällt mir persönlich nicht. Okay, hier geht es nicht um Gegenstände, sondern um Kunst. Darüber lässt sich immer streiten. Aber es geht auch um Emotionen.
Ich persönlich bin auch Tribal-Träger, weiß nicht ob das ein 0815 Motiv ist. Aber ich finde es sehr schön, bin immernoch stolz es tragen zu dürfen. damit identifiziere ich mich, weil es mir gefällt. In Zukunft kann ich auch sagen, dieses Motiv entsprach der Ästhetik meiner Zeit. Was ist daran falsch ? Ich plane auch ein ausgefalleneres, deswegen wird mir mein erstes Tattoo aber nicht weniger gut gefallen. Es geht immer um das Auge des Betrachters, und gerade bei Kunst denke ich gehen die Meinungen numal total auseinander.

Ich bin auch etwas skeptisch zu einem Tätowierer zu gehen, dem ich meine Ideen sage, weil ich ein genaues Bild im Kopf habe, und mir das gerne nach meinen Vorstellungen umsetzen lassen will, ich aber "Schiss" davor habe, daß er sagt, ne gefällt mir nicht, ich würde das so und so machen etc. oder daß ich sage, das muss anders usw. weil ich ihn dann nicht damit kränken will. Außerdem will ich nicht schon 100e Euros bezahlen, nur damit er mir etwas aufzeichnet. Aber das ist was anderes. Ich weiß nicht, ich sehe da schon ein großes Konfliktpotential. Oder sehe ich das komplett falsch ?

[Aszid]

Also zum einen sollte man ein Tribal nicht als Massenprodukt bezeichnen, da der Begriff ja die Stilrichtung bezeichnet und nicht das Motiv an sich.

Genauso könnte man sagen: "Oh mann, jeder will sich was japanisches machen lassen", oder "schon wieder einer mit nem religiösen Tattoo".
Wieviele Leute lassen sich denn ein Porträt von irgendjemandem stechen lassen oder den Namen der Kinder oder so. Da kommt auch keiner auf die Idee zwei Porträts als "fast das gleiche" zu bezeichnen.

Außerdem sind es doch die Inker, die ein Tribal zum "Massenprodukt" werden lassen, wenn sie es nicht schaffen einem Bild, welches sich weder an physische noch optische Gesetze halten muss, ihren eigenen Charakter zu geben und es so einzigartig und zu einem, für jeden erkennbares unikates Meisterstück zu machen.
Vorrausgesetzt der Kunde will nicht genau das selbe wie Herr X.

[Hoschte]

wow da haste aber tief gegraben um diesen 3 jahre alten schatz zu bergen

[Aszid]

Das passiert wenn man weiß wie die SuFu funktioniert

[joerg]

....Außerdem sind es doch die Inker, die ein Tribal zum "Massenprodukt" werden lassen.....

Falsch. Denn der Markt bestimmt die Nachfrage. Und der Mensch ist im allgemeinen ein Gewohnheits- und Herdentier und zudem leider auch Stinkfaul, was die geistige Aktivität angeht. Wenn er sieht, z.B. Fernsehen/Internet, das viele Menschen sich ein Tribal haben tätowieren lassen, dann macht er das auch. Weil es ja alle machen. Und warum sich was überlegen, wenn es doch so einfach ist in nen Shop zu gehen, sich was auszusuchen und basta.

...wenn sie es nicht schaffen einem Bild, welches sich weder an physische noch optische Gesetze halten muss, ihren eigenen Charakter zu geben und es so einzigartig und zu einem, für jeden erkennbares unikates Meisterstück zu machen....

Richtig und Falsch zugleich.
Auch ein gutes Bild, bzw. gerade ein gutes Bild, hält sich strikt an optische Grenzen. Wenn ein Bild, bzw. eine Tätowierung, perfekt an den Körper angepasst ist, Form und Farben mit dem Motiv verschmelzen und der Flow des Bildes eine perfekte Symbiose mit dem Körper eingeht, dann wird aus einem guten Bild ein Meisterstück. (...oh man...hab ich das gerade wirklich geschrieben?? ).

Problem ist leider nur folgendes, das genau dieses nur sehr wenige beherrschen. Es gibt jede Menge erstklassiger Tätowierer in Deutschland. Aber leider viel zu viele, die an gnadenloser Selbstüberschätzung leiden. Und noch schlimmer daran ist nur die Tatsache, das der Kunde das nicht einzuschätzen vermag, weil er sich von dem Gelaber dieser Menschen einwickeln lässt

Vorrausgesetzt der Kunde will nicht genau das selbe wie Herr X.

Und genau das ist letztendlich die Kernaussage deines Postings. Zu der Zeit, als die Arschgeweihe modern waren, kam jedes 2. Mädel ins Studio und wollte genau dasselbe Tattoo, wie ihre beste Freundin. Jeglicher Zuspruch, sie solle sich das gut überlegen, weil eine Tätowierung länger hält, als jede Freundschaft, ignorierten 98% der Kundinnen. Und 80% gerade dieser ignorierenden Kundinnen waren es dann letztendlich auch, die Jahre später wieder im Shop standen und kleinlaut nachfragten, ob man da was ändern könne.

Wie läuft es denn gerade ab?
Der Mob sieht in den Medien einen Promi, der links und rechts auf der Brust einen Stern hat (Shifty von Crazy Town). Und urplötzlich strömen die dummen Massen in den Shop und wollen dasselbe. Und jeder kommt mit der gleichen Story.

Zitat: Ich hab da ne super Idee für ein Tattoo gehabt. Ich hätte gerne 2 Sterne. nur die Outlines, die aber dafür dicker und einer soll rechts oben an die Brust und einer links oben

Dann sieht der Mob einen anderen Promi in den Medien, die z.B. 2 Sterne auf dem Unterarm hat (Sarah Kuttner wars glaub) und schon rennt der nächste Schwung an Massen in den Shop. Und ratet mal, mit welchem Wortlaut sie ihren Motivwunsch äußern:

Zitat: Ich hab da ne super Idee für ein Tattoo gehabt. Ich hätte gerne 2 Sterne. nur die Outlines, die aber dafür dicker an den Unterarm

Als nächstes sehen sie dann bei nem Promi nen arabischen Namen auf dem Unterarm und der Mob springt wieder. Dann sehen sie bei nem anderen Promi ein Tattoo auf der Leiste....und zack....same procedure als last time

Und mal ganz ehrlich. Wir Tätowierer wären doof, wenn wir nicht jeden Trend bis zu einem gewissen Grad mitmachen würden. Denn letztendlich bezahlt uns dieser Trend die Miete. Nur ist es auch klar, das einem irgendwann mal auch das Geld nichts nützt, wenn man dafür Tag ein Tag aus immer nur dasselbe Tätowieren "muss" und nichts mehr anderes machen kann/darf.

So...und nun sag mir bitte nochmal, wer dran schuld ist, das sich der Großteil der Massen das selbe Tattoo stechen lassen? Wir Tätowierer garantiert nicht!

[Aszid]

Da geb ich dir aber auch recht, das es frustrierend sein muss dem xten Kunden ein und das selbe zu stechen.

Ich hab nur hier aus dem Thread eher rausgelesen, das ihr keine Lust mehr habt Tribals zu stechen, obwohl es die doch in so großer Vielfalt gibt, ob schlicht schwarz, schattiert, Maori, biomechanisch, bunt, usw.