von neo » 29.09.2006 15:48
Da der Engel hier genannt wurde: Das Motiv hat Hintergründe, die damit zusammenhängen.
Aber ich möchte zu der ganzen Aktion etwas zu bedenken geben: Ich halte es nicht für gut, das "lesbar" zu illustrieren. Betroffene sind meist nicht erpicht darauf, das nach aussen zu zeigen, das hat mit den psychischen Folgen des Wertlosigkeitsgefühls zu tun. Abgesehen davon zieht es diejenigen runter, wenn sie unvermutet mit dem Thema konfrontiert werden, wo sie es selbst nicht aufbringen wollen.
Die Täter interessiert das nicht, die wissen, das es nicht richtig ist.
Was ich mal zur Diskussion stellen möchte:
Ich denke, viele Männer, die sich sonst vielleicht nicht in die Richtung orientiert hätten, geraten durch das übersättigende Angebot an "Erwachsenenporno" auf den Geschmack. Das Tabu gibt den Kick.
Die Frage ist, ob die ständige und dauerpräsente Sexualisierung (Titten wo man hinguckt, alles muss sexy usw sein) nicht eine Art von Gleichgültigkeit der normalen Sexualität gegenüber erzeugt und dann immer drastischere Stimulanzien fordert. Es ist nicht Kindesmissbrauch allein, es gibt auch genug Missbrauch Erwachsenen gegenüber.
Die Frage muss erlaubt sein, ob nicht auch eine gewisse Art der Kommerzialisierung des Themas stattgefunden hat. Nach dem Motto, das bringt Auflage. Mal ganz abgesehen von der menschlichen, natürlichen Reaktion des Entsetzens und des Abscheus, des Mitleids für das Opfer und des Hasses auf den Täter spielt bei dem Interesse für das Thema glaube ich auch immer ein ganz klein bischen Unfall-Gucken Voyeurismus mit. Menschlich, aber nicht unbedingt gut.
Zu der Idee mit der Tätowierung kann ich nur sagen, man sollte Betroffenene (und viele lassen sich tätowieren, weil sie auf die Art ihren Körper für sich reklamieren und Grenzen setzen) immer selbst wählen lassen, wie und in welcher Form sie das umgesetzt sehen wollen, sonst richtet eine Konfrontation mit dem Thema mehr Schaden an als sie nützt. Ich kenne viele, und keine würde sich eine direkte Bildumsetzung machen lassen. Das hiesse eine Fortsetzung der Opferrolle, eine Fortsetzung des unsichtbaren "Mals". Und ohne das ich das in irgendeinerweise als Entschuldigung gelten lassen würde: Der grösste Teil der Täter ist selbst Opfer von Missbrauch.
Was aber geht, ist eine Thematisierung von Respekt dem Individuum gegenüber und eine Thematisierung der psychologischen Folgen. Grenzen respektieren ist das zentrale Thema. Wer nicht gelernt hat, daß Grenzen respektiert werden müssen, kann später selbst keine einhalten. Und das ist nicht nur ein familiäres, sondern ein gesellschaftliches Problem.
Devil, deine Initiative finde ich gut, trotz meiner Argumentation. Nur ist die Frage, wie weit sie in der Form bringt, was du erreichen möchtest. Vielleicht ist es auch nicht verkehrt, mal darüber nachzudenken, wo man ansetzen kann. Denn man sieht es den Kindern in den seltensten Fällen "an". Aber kaum einer interessiert sich, guckt genau hin, wenn Kinder plötzlich schlecht in der Schule werden, essgestört, sich selbst verletzen, aufffällige Hautausschläge kriegen oder still und traurig sind. Selbst die Lehrer nicht, die ja täglich mit den Kindern zu tun haben.
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neo am 29.09.2006 15:57, insgesamt 1-mal geändert.