Qualität - objektive und subjektive Warnehmung

Allgemeines zum Thema Tattoo

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Re: aargh und k-inks qualitätsdebatierecke

Beitragvon sk8mafiaflip » 12.07.2012 12:32

Buddha_Eyes hat geschrieben:Kunst kommt von Können


Ich halte dem noch ein "Kunst kommt von Sehen!" dagegen :wink:

Im Prinzip bin ich sowohl mit aaargh als auch mit k-ink-man einer Meinung, ich glaube ihr redet da über zwei verschiedene Dinge, der eine hat eine eher qualitätsorientierte Sichtweise (und legt da die Messlatte nicht zu niedrig an), der andere, teilt zwar den Qualitätsaspekt im Großen und Ganzen, hat aber eine eher pragmatische professionelle Perspektive.

Die einzige Frage, die sich mir in diesem Zusammenhang stellt: k-ink-man, bist du nicht auch ein bisschen enttäuscht von den Leuten die nicht bereit sind ein bisschen Energie, Eigenleistung, oder sogar Respekt gegenüber dem Tätowierer und seinem Beruf, aufzubringen?
Oder bist du einfach schon so abgeklärt, dass du dir denkst man kann's eh nicht ändern? :wink:

Hoppla, sind 2 Fragen :oops:

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Re: aargh und k-inks qualitätsdebatierecke

Beitragvon aaargh! » 12.07.2012 13:07

upsidedown hat geschrieben:Sry, wenn einer keine geraden Linien stechen kann (also keiner Linie bewusst ohne Unfall folgen kann), verkommt alles zur Beliebigkeit.


Mit "erwarten" meinte ich "als Kunde auf der Haut erwarten", nicht dass der Tätowierer es nicht können sollte. K-Inks Antwort auf meine Aussage, dass gleichmäßige, gerade Linien und symmetrische Formen für mich ein Qualitätsmerkmal eines Tätowierers für Standard-Motive darstellen war ja, dass ich mal meine eigenen Tattoos anschauen soll. Darum ging's mir. Dass es eben keine Standard-Motive sind und ich als Kunde von Leuten wie Sven, Halbstark, Aurisch usw. eben keine schnurgeraden Linien erwarte.

*fran* hat geschrieben:Pop und Rock... beides ist trotzdem Musik.


Ja, aber die Anforderungen an die Ausführung sind stilbedingt verschieden.

Der eine macht krumme Linien mit Absicht, der andere ohne Absicht. [...] ... Es haben beide ihre Berechtigung.


OK... wenn Du das so siehst... ich will einem schlechten Tätowierer ja auch nicht einen guten Charakter oder seine Existenzberechtigung absprechen, oder irgendwas in der Richtung. Nur eben den Status eines guten Tätowierers infrage stellen dürfen.

Als Tätowierer sieht man oft an welchen Punkten es am Tätowierer lag und an welchen Punkten der Kunde die Ursache für bestimmte Dinge war, z.B. etwas verzappelt wurde, nicht durchgezogen werden konnte wegen aua, die Haut aus der Hölle war und solche Sachen.


Heißt das dann im Umkehrschluss, dass der von mir angesprochene Tätowierer seit 18 Jahren nur zappelige Kunden mit schlechter Haut hat?

Wenn etwas gerade sein soll und schief ist, oder wenn etwas böse wirken soll und doof aussieht, dann ist das Ziel verfehlt, oder?

Da bin ich deiner Meinung. Nur ist die Frage, ob die Ausführenden und Träger da unserer Meinung sind. Wenn nicht: Gott seis gedankt, dann haben sie ein paar Probleme weniger.


Klar, "live and let live", kann man natürlich so sehen.

Wo sollen denn sonst die Millionen Menschen hingehen, die z.B. etwas von der besten Freundin selbstgezeichnetes "ganz genau so" haben wollen?

Zu einem guten Tätowierer, der sich nicht zu schade für solche Aufträge ist... finde ich.

Und genau da wird es knifflig. Ich glaube du hast keine Ahnung, wie diese selbstgezeichneten Sachen, die exakt so übernommen werden sollen, immer aussehen. Dann ist dieser gute Tätowierer aber ganz schnell der nächste, der im Internet als Gurkenfabrikant gehandelt wird.


Aber auch hier glaube ich nicht, dass der von mir angesprochene Tätowierer seit 18 Jahren nur schlecht gezeichnete Vorlagen bekommt.

Ich bin mir nicht zu schade für kleine Sachen.


Ich hab Dich damit auch nicht ansprechen wollen.

Da sind wir unterschiedlicher Meinung. Nach meinem Verständnis muss ein Tätowierer die Grundlagen des Handwerks können, genauso wie ein Berufsmusiker. Erst wenn die Grundlagen sitzen kann man damit arbeiten und spielen.


Nein, wir sind der gleichen Meinung. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob Du bei allen Tätowierern mit dem gleichen Maß misst. Oder die Grundlagen so definierst wie ich das als Laie tun würde. Wenn die Krakeltätowierer diese Grundlagen beherrschen sollten, sollten das auch die Tätowierer für Standard-Motive tun, oder?
Genau so, wie man als Musiker in einem Takt die "1" finden können sollte, auch wenn man nicht auf die "1" spielt... vor allem WENN man aber auf die "1" spielen möchte, ist es noch essenzieller :)

Mit "Wertesysteme" meinte ich nicht den Geschmack, hat eher was mit der Tätowierer-Kunden-Beziehung zu tun. Aber ich hab jetzt keine Zeit mehr.


Wenn Du wieder Zeit hast, lass ich es mir gerne erklären. Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe, was Du meinst...

Buddha_Eyes hat geschrieben:Es funktioniert auch nicht, Freejazz spielen zu wollen, weil einem das korrekte Lernen eines Instruments und die Beschäftigung mit Harmonierlehre usw. zu lästig ist.


Hmmm... leider doch. Das kann ich Dir aus eigener leidvoller Erfahrung versichern :D
Aber das war auch nicht die Argumentation, auf die ich hinaus wollte, s.o.

Buddha_Eyes hat geschrieben:Etwas ganz anderes ist es, wenn das "klassische" Handwerkszeug schon zu beschränkt ist um überhaupt an diese Grenze zu gelangen.
Um so leid mir das tut, man sieht nun einmal was von beidem der Fall ist..


Jooo... also... ich weiß ja nicht. Ich finde es etwas eigenartig, wenn auf meine Aussage: "Tätowierer XY ist mies" dann mehrfach als Gegenargument kommt: "Deiner aber auch" - mal davon abgesehen, ob ich das genau so sehe, oder nicht.
Es macht keinen Unterschied, ob ich Rad fahre, oder einen SUV. Wenn ich sage, dass Autofahren der Umwelt nicht zuträglich ist, dann ist das trotzdem eine valide Aussage.

sk8mafiaflip hat geschrieben:... ich glaube ihr redet da über zwei verschiedene Dinge, der eine hat eine eher qualitätsorientierte Sichtweise (und legt da die Messlatte nicht zu niedrig an), der andere, teilt zwar den Qualitätsaspekt im Großen und Ganzen, hat aber eine eher pragmatische professionelle Perspektive.


Das glaube ich langsam auch... oder wir reden aneinander vorbei, ich bin mir nicht sicher :D

Was noch dazu kommt, ist der eigentliche Stein des Anstoßes. Ich habe etwas unüberlegt einen Link zu einem Tätowierer gepostet und mich davor über ihn lustig gemacht... wobei... "lustig gemacht" klingt so böse... es war aber eigentlich gar nicht so richtig böse gemeint.
Ernst gemeint war allerdings, dass ich ihn ziemlich mies finde.
Ich weiß jetzt nicht, wie unangemessen es wäre, ein paar Bilder zu posten, ohne Verweis auf den Tätowierer, damit man sehen kann, um was es eigentlich geht. Ich denke nämlich, dass sich dann einiges wieder relativieren würde.
Aber ich will hier auch nicht anstacheln, ich denke nur, dass es zum besseren Verständnis vielleicht nicht schlecht wäre.
Keine Ahnung, ob das gemein wäre, oder nicht... das müssen andere entscheiden, ich trau mir das nicht zu.
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Re: aargh und k-inks qualitätsdebatierecke

Beitragvon K-ink-Man » 12.07.2012 22:07

Heißt das dann im Umkehrschluss, dass der von mir angesprochene Tätowierer seit 18 Jahren nur zappelige Kunden mit schlechter Haut hat?
und
Aber auch hier glaube ich nicht, dass der von mir angesprochene Tätowierer seit 18 Jahren nur schlecht gezeichnete Vorlagen bekommt.

Nee, natürlich nicht. Ich will damit sagen, dass ich ganz allgemein noch ein paar andere Dinge sehe, als du sie siehst (u.a. an deinem Bein, im Vergleich zu z.B. deinen Armen, und das hat nichts mit den Motiven oder dem Grad der Abstraktion zu tun.)
Du sprichst offenbar konkret von dem 90er-Jahre-Optik-Schädel-mit-Kulleraugen-Teil vs. dein Bein, das ist mir durch die Lappen gegangen.
Ich war schon in größeren, allgemeineren Dimensionen.

Ok, dann konkret. Es gibt genau vier Optionen, wie Menschen so eine exemplarische Gegenüberstellung von zwei so "extremen" Randbereichen der Gegenwartstätowiererei bewerten können:
1. Es gibt welche, die beides aus tiefstem Herzen geil finden, sowohl sowas wie dein Bein, als auch sowas wie wie das Schädelwerk.
2. Es gibt welche, deren Herz bei deinem Bein höher schlägt und für die der Schädel ein No-Go ist. Da gehörst du selbst dazu (hoffe ich)
3. Es gibt welche, die ganz genau auf sowas wie das Schädeltattoo abfahren, die explizit für sich einen Wert in genau solcher Machart finden, denen gleichzeitig der Gesamteindruck deines Beins aber nicht taugt.
4. Und es gibt welche, für die beide gar nicht in die Tüte (bzw. Haut) kommen.
Da gehöre ich dazu.

Alle vier Optionen haben ihre unterschiedlichen Gründe, aber die gleiche Daseinsberechtigung. Das ist alles völlig in Ordnung. Wenn man einen "von außen" versucht in eine andere Wertungsgruppe zu zwingen, dann ist das wie eine Zwangschristianisierung. Es bringt nichts.
ich will...Nur eben den Status eines guten Tätowierers infrage stellen dürfen.
Klar, darfst du doch.

Edit: Mir ist gerade was eingefallen: Hast Du evtl. das Gefühl, dass ich oder LSF "Standard-Arbeiten" weniger wertschätzen als unser geliebtes Kritzel-Zeug?

Nein, den Eindruck hatte ich nicht. Ich finde es aber besorgniserregend, Tätowierer pauschal in zwei Sorten zu teilen, die für "Standard-Arbeiten" und die für die "besonderen Wünsche".
Das machen die meisten Kunden so. Wenn es alle Kunden wären, würde das für mich bedeuten, dass ich die nächsten Jahrzehnte immer wieder die gleichen Sachen in der gleichen Weise machen müsste... was bedeutet, dass ich jede persönliche Ambition in Richtung Fortschritt und Entwicklung meiner Fähigkeiten begraben kann.
Es ist keine Schande "Standard-Arbeiten" zu machen oder "Standard-Arbeiten" in ""Standard-Ausführung" zu wollen (was auch immer man persönlich darunter sieht), aber das, was die persönliche Entwicklung antreibt sind die Sachen, die eben nicht Standard sind.
Ein Tätowierer kann sich nur so weit entwickeln, wie es seine Kunden ihm gestatten.

Da sind wir unterschiedlicher Meinung. Nach meinem Verständnis muss ein Tätowierer die Grundlagen des Handwerks können, genauso wie ein Berufsmusiker. Erst wenn die Grundlagen sitzen kann man damit arbeiten und spielen.

Nein, wir sind der gleichen Meinung. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob Du bei allen Tätowierern mit dem gleichen Maß misst. Oder die Grundlagen so definierst wie ich das als Laie tun würde. Wenn die Krakeltätowierer diese Grundlagen beherrschen sollten, sollten das auch die Tätowierer für Standard-Motive tun, oder?

Doch, ich persönlich erwarte von allen, die sich Tätowierer nennen, genau die gleichen Grundlagen. Egal wohin sie ihre Entwicklung dann führt, bestimmte Fähigkeiten müssen sitzen.
Ich könnte den Mok (meinen Azubi) jetzt auch als Krakel-Spezialisten in seinem ganz eigenen Krakelstyle auf die Welt loslassen. Aber dann ist er meiner Ansicht nach nur mit einem "halben Werkzeugkasten" ausgerüstet. Sobald sein Werkzeugkasten voll ist und er die auch die Grenzen des Mediums Haut in voller Breite kennengelernt hat, dann kann er auf der Basis bauen, was er will.
(Was nicht heißen soll, dass gute Krakelei besonders einfach wäre. Genausowenig wie gute Schriften, gute Tribals, gute Sterne usw. einfach wären.)

Wenn du von deinen Tätowierern genau das erwartest, was du von ihnen kennst und magst, ist das in Ordnung. Du bist ja auch ein Tattooträger und kein Tätowierer. Ich glaube sooo sehr aneinander vorbei reden wir gar nicht.

@flip:
Mein persönlicher Qualitätsanspruch (an Gestaltung und Ausführung) ist wesentlich höher als du denkst. Und auch wesentlich höher, als meine eigenen Arbeiten zeigen.
Pragmatisch bin ich deshalb, weil ich mich damit abgefunden habe, dass man manche Dinge einfach nicht ändern kann. Das ist für mich der einzige Weg, um nicht kaputt zu gehen, nicht nach unten oder zur Seite treten, sondern nach oben greifen und vorankommen.

Kommen Leute rein und sehen mich als ihnen unterstehenden verschissenen Dienstleister können sie auch direkt wieder gehen. Da halte ich mich nicht mehr lange auf, das ärgert mich auch nicht mehr. Ich möchte Kunden auf gleicher Augenhöhe.
Was mich immer wieder enttäuscht, ist wenn ein Kunde sich nicht über das Tattoo, was ich ihm gemacht habe freut. Sondern nur fertig werden will, bei Großprojekten ab der zweiten Sitzung gedrängelt wird (schneller schneller, kost ja Geld), manche ein in meinen Augen noch lange nicht fertiges Tattoo für "fertig" erklären (ist doch gut, reicht doch so, was hast du denn) oder wenn ich sehe, wie meine Arbeit mit Füßen getreten wird. (Scheiß Pflege, Sonne braten.)

Meine Frau sagt manchmal ich muss mich lösen lernen. Aber das ist gefährlich, denn wenn mir die Dinge, die mich aufregen gleichgültig würden, dann wären mir logischerweise meine Arbeiten egal... eine Gratwanderung.
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Re: aargh und k-inks qualitätsdebatierecke

Beitragvon monkima » 12.07.2012 22:21

OT : vielen Dank, das Du Dir so viel Zeit nimmst, um hier zu schreiben. Ich hoffe es animiert auch andere Pros, sich wieder vermehrt am Forum zu beteiligen :wink:
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Re: aargh und k-inks qualitätsdebatierecke

Beitragvon sk8mafiaflip » 12.07.2012 22:31

K-ink-Man hat geschrieben:Mein persönlicher Qualitätsanspruch (an Gestaltung und Ausführung) ist wesentlich höher als du denkst. Und auch wesentlich höher, als meine eigenen Arbeiten zeigen.

Das macht natürlich Sinn, ist ja auch für dich absolut notwendig um nicht auf der Stelle zu treten und weiter zu kommen.
K-ink-Man hat geschrieben:Was mich immer wieder enttäuscht ist ... wenn ich sehe, wie meine Arbeit mit Füßen getreten wird. (Scheiß Pflege, Sonne braten.)

:evil: kann ich nur zu gut verstehen, dir bedeuten deine Arbeiten ja auch was!
K-ink-Man hat geschrieben:Meine Frau sagt manchmal ich muss mich lösen lernen. Aber das ist gefährlich, denn wenn mir die Dinge, die mich aufregen gleichgültig würden, dann wären mir logischerweise meine Arbeiten egal... eine Gratwanderung.

Ich Wünsche dir viel Glück und Kraft dafür und bedanke mich sehr für deine ausführliche Antwort! Absolut tolle Beiträge die du hier schreibst :!:

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Re: aargh und k-inks qualitätsdebatierecke

Beitragvon Tim59 » 13.07.2012 0:31

@K-ink-Man: Ich verstehe im grossen Ganzen was Du meinst, und ich freue mich sehr das Du Dir die Mühe genommen hast diese ausführliche Post zu schreiben. Ich bin auch sehr froh das es Dir nicht gleichgültig ist. Aufregen ist gut und wichtig, man sollte sich mehr aufregen! In diesem Fall sowohl für Dich, um nicht abzustumpfen und auf Autopilot immer das Gleiche zu tun, als auch für anderen, um zu sehen wie eine Horizont langsam verschoben wird. Um es Platt zu sagen: wenn Colombus bei den Kanaren gedacht hätte "ach, das reicht eigentlich schon", wäre auch manches anders gewesen...

Wo ich allerdings noch nicht ganz entschlossen bin, ist ob die von Dir beschriebene "Gleichschaltung" der vier Optionen nicht ein gefahr von Relativismus beinhaltet. Alles ist gleich gut, oder gleich grottig, je nach sichtweise des Kunden. Vielleicht sind Kunden (Laien) nicht die richtige Gradmesser? Grob übersetzt nach eine andere Kunstform. Jimi Hendrix machte Musik, die von manche Leute geschätzt würde. Brittney Spears machte Musik, die von anderen geschätzt wird. Auch hier könnten die vier Optionen zutreffen: und beide sind gleich gute Musiker. Obwohl man m.M.n. sagen müsste: wer hat die Entwicklung der Musik weitergebracht? Wer hat über die Grenzen des Bekannten hinaus getestet? Wer hat die Standard-Werkzeuge um einiges erweitert?

Relativismus wäre gefährlich, da es gerade zu diesen Gleichgültigkeit führen kann. In extremfall macht man allesgenau so was der Kunde haben möchte, ohne wenn und aber. Eigene Entwicklung, eigene Überzeugungen und eigene Einschätzungen werden beiseite geschoben, nur um die Kunden zufrieden zu stellen. Ich verstehe das Tatöwierer ein Kundenorientiertes Beruf ist (dein Leinwand hat eine Meinung), aber Expertwissen und Kunstlerische Fertigkeiten sind nicht nur da um dienstbar zu sein...

Ich hoffe, Du verstehst was ich meine - ich befürchte das mein Deutschkenntnisse noch nicht ganz ausreichen, um genau das zum Ausdruck zu bringen was ich eigentlich sagen will...
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Re: aargh und k-inks qualitätsdebatierecke

Beitragvon aaargh! » 13.07.2012 0:40

K-Ink, vorweg mal: Auch von mir vielen Dank für Deine Beiträge und die interessante Diskussion!

Ich glaube aber wirklich, dass wir aneinander vorbei reden bzw. Du in meine Postings mehr hinein interpretierst als meine Intention war.

K-ink-Man hat geschrieben:Ich will damit sagen, dass ich ganz allgemein noch ein paar andere Dinge sehe, als du sie siehst


Es würde mich sehr irritieren, wenn es anders wäre! :D

Du sprichst offenbar konkret von dem 90er-Jahre-Optik-Schädel-mit-Kulleraugen-Teil vs. dein Bein


Nein, überhaupt nicht. Mir ging's in der Diskussion nicht um mein Bein...
Du hattest meine Tattoos in's Spiel gebracht, ich versuche eher die Diskussion davon weg zu bringen, weil ich finde, dass das nichts damit zu tun hat - wie schon ein Posting vorher erwähnt.
Ich will meine Tattoos nicht besser machen, indem ich andere schlecht rede. Hatte aber bei Deiner Argumentation ehrlich gesagt schon das Gefühl, dass Du es anders herum schon versucht hast. Das mein ich jetzt nicht böse, Du kannst von meinem Bein halten was Du willst. Ich finde nur, dass es hier nichts zur Sache tut.

Wenn man einen "von außen" versucht in eine andere Wertungsgruppe zu zwingen, dann ist das wie eine Zwangschristianisierung. Es bringt nichts.


Nein, das versuche ich ja auch nicht... ich glaube das "müsste" ich hier in dem Forum auch nicht, selbst wenn ich wollte.

Nein, den Eindruck hatte ich nicht. Ich finde es aber besorgniserregend, Tätowierer pauschal in zwei Sorten zu teilen, die für "Standard-Arbeiten" und die für die "besonderen Wünsche".
[...]
Es ist keine Schande "Standard-Arbeiten" zu machen oder "Standard-Arbeiten" in ""Standard-Ausführung" zu wollen...


Und genau das wollte ich mit meinem Nachtrag ausräumen. Ich sehe es nicht so und "Standard" ist nicht auf die Qualität bezogen und nicht wertend gemeint. Ich habe das Wort "Standard" in ermangelung einer besseren Vokabel für "gängige Motive" benutzt. Ich gehe mit dem Thema schon etwas differenzierter um, als Dir vielleicht scheint.
Es wundert mich trotzdem ein bisschen, dass Du so von mir denkst, denn ich gebe mir hier echt größtmögliche Mühe, das auch so rüber zu bringen wie ich es meine.

Edith: Das könnte ich allerdings falsch verstanden haben, falls Du diese "Standard vs. Besonderes"-Ausführungen allgemeiner gemeint hast und sie nicht (auch) konkret auf mich bezogen waren.

Doch, ich persönlich erwarte von allen, die sich Tätowierer nennen, genau die gleichen Grundlagen.


OK... aber... nochmal konkret auf den von mir geposteten Link bezogen, unabhängig von meiner unfeinen Art, das überhaupt zu tun... siehst Du dort die Grundlagen, die Du von einem Tätowierer erwartest?

----------------------------------------

Nochmal zu meinem Verständnis: Im Grunde ging es doch um genau zwei Sachen:
1. Ich postete einen Link zu einem, wie ich (und wahrscheinlich so gut wie jeder andere User) finde, miesen Tätowierer und amüsiere mich darüber - nicht sehr nett, aber ich war einsichtig, der Link ist weg und ich werde sowas zukünftig für mich behalten.
2. Die Qualität der Arbeiten des besagten Tätowierers - und darüber reden wir gerade, oder? Wenn nicht, hab ich ein Problem, denn dann hab ich was falsch verstanden.

---------------------------

Noch eine Edith hinterher:
Alle vier Optionen haben ihre unterschiedlichen Gründe, aber die gleiche Daseinsberechtigung.


Ja... ich sehe das auch nicht so verkrampft... ich bin ja kein Tattoo-Nazi :D Deshalb wirst Du auch nur in den aller-seltensten Fällen sehen, dass ich mich z.B. hier im Forum negativ über Arbeiten äußere. Es muss nicht jeder handwerklich gute Tattoos, künstlerisch anspruchsvolle Tattoos, Tattoos mit Message oder Tattoos in meinem präferierten Stil haben - absolut nicht.
Also... es gibt hier durchaus Leute, die meinen das tun zu müssen, aber ich gehöre sicherlich nicht dazu.
Beweggrund bei diesem einen Ausreißer (und einem weiteren im Show-Your-Forum) war, dass ich es so unterirdisch mies fand, dass selbst ich mich nicht mehr zusammenreißen konnte. Charakterlich kritikwürdig, aber nicht die Regel :D

Und noch eine letzte Edith: Ich finde Deine Ausführungen, die nicht unbedingt direkt etwas mit dem Initial-Thema zu tun haben, übrigens auch sehr interessant! Es fällt mir nur gerade noch nicht so leicht, mich vom eigentlichen Thema zu lösen.
Zuletzt geändert von aaargh! am 13.07.2012 1:46, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Qualität - objektive und subjektive Warnehmung

Beitragvon madmaxx » 13.07.2012 0:54

Danke für die schöne Diskussion. Ich habe den Threadtitel geändert und werde es auch ins Inhaltsverzeichnis aufnehmen.
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Re: Qualität - objektive und subjektive Warnehmung

Beitragvon K-ink-Man » 14.07.2012 0:30

aaargh wenn ich dich für einen Tattoonazi halten würde, dann würde ich doch wohl kaum meine Zeit in so ein Gespräch stecken. Was dazu noch als echtes Gespräch sicher wesentlich einfacher wäre als in dieser Form.

Nochmal zu meinem Verständnis: Im Grunde ging es doch um genau zwei Sachen:

Punkt eins ist doch längst abgehakt. Punkt zwei auch, da sind wir im Fazit gleicher Meinung, das ist nicht zeitgemäß.

Wie schon geschrieben: Ich war schon längst in größeren Dimension, kam dann (fälschlicherweise) zu der Annahme, dass du doch über konkret den Tätowierer und konkret dein Bein reden willst, was beides für mich nur exemplarisch als Paar für diese größeren Dimensionen stand. Ich wollte weder den einen schönreden noch irgendwas für dich schlechtreden, dieser beispielhafte Antagonismus schrie mich an und ich ließ ihn raus. Kurz danach dachte ich "Hm, Mist, das, was ich meine, ist möglicherweise viel zu abstrakt.." Es tut mir leid, wenn ich dir einen Stich versetzt habe.

Ich denke, wir sind alle der Ansicht, dass 'Qualität' ein Sammelbegriff von verschiedenen Bausteinen ist, die handwerklichen Grundlagen ist nur einer davon. Daneben gibt es noch Anpassung, Fluss, Proportionen, Gestaltung und Ausarbeitung, künstlerische Reife, Eigenständigkeit, Lesbarkeit, Innovation, Haltbarkeit und nachher fällt mir bestimmt noch ein, was ich jetzt alles vergessen habe.
Manche Bausteine sind dynamisch, das ist wohl das, was du mit Anforderungen an verschiedene Stile oder Motive meinst. In einigen Fällen sind sie relevant, in anderen geht es ohne sie.
Andere Bausteine sind meiner Meinung nach statisch, und das sind die handwerklichen Grundlagen und die Haltbarkeit.

Wobei das durchaus auch unter den Tätowierern unterschiedlich gewertet wird, aus meiner Erfahrung (und eigenem Erleben) verschiebt sich die Gewichtung innerhalb der eigenen Qulitätsdefinition im Laufe einer Tätowiererlaufbahn von Revolution (in Kunst und Technik) zu anderen Kriterien.

Um
siehst Du dort die [handwerklichen] Grundlagen, die Du von einem Tätowierer erwartest?
zu beantworten: Ja, das sehe ich. Die handwerklichen Anforderungen sind da.

Deshalb finde ich ja z.B. Tattoobewertung so sinnlos, wie soll man die Qualität einer Tätowierung mit nur einer Skala bewerten? Sind ein künstlerisches Tattoo, dem etwas Handwerkswissen fehlt und ein handwerklich ok ausgeführtes Tattoo, dem Liebe, Sorgfalt und alles andere fehlen gleich viele Sterne wert? Mal ganz zu schweigen von den ganzen Motiv-Reaktions-Impulssternen... Selbst bei Ebay ist eine Bewertung differenzierter. Und damit informativer und aussagekräftiger.

Edith: Das könnte ich allerdings falsch verstanden haben, falls Du diese "Standard vs. Besonderes"-Ausführungen allgemeiner gemeint hast und sie nicht (auch) konkret auf mich bezogen waren.

Genau das. Allgemein. "Standard" kann sowohl für die gängigen Motive stehen, aber auch für eine tolle Motividee in einer durch Kundenwunsch lahmen (oder eher gelähmten) Ausführung. Wohingegen auch z.B. aus einer Rose theoretisch ein eigenständiger Burner werden könnte...

@Tim:
Wo ich allerdings noch nicht ganz entschlossen bin, ist ob die von Dir beschriebene "Gleichschaltung" der vier Optionen nicht ein gefahr von Relativismus beinhaltet. Alles ist gleich gut, oder gleich grottig, je nach sichtweise des Kunden. Vielleicht sind Kunden (Laien) nicht die richtige Gradmesser?

Für die Entwicklung jedes einzelnen Tätowierers und damit der gesamten Branche sind diese vier Optionen natürlich nicht gleichwertig oder gleichbedeutend. Da bin ich ganz bei dir. Aber die allerwenigsten Kunden sind dazu bereit, ihren eigenen Körper im Dienste des Fortschritts und der Entwicklung der Tätowierkunst für Experimente oder die freie Entfaltung des künstlerischen Egos zur Verfügung zu stellen.
Denn das sind die zwei Pole:
A: Entweder ist der Kunde ein Objekt, ein lebendes Medium, und so ziemlich alle Entscheidungen liegen beim Tätowierer.
B: Oder der Tätowierer ist nur das ausführende Organ, alle Entscheidungen liegen beim Kunden. Genau das, was du hier bescheibst:
Relativismus wäre gefährlich, da es gerade zu diesen Gleichgültigkeit führen kann. In extremfall macht man allesgenau so was der Kunde haben möchte, ohne wenn und aber. Eigene Entwicklung, eigene Überzeugungen und eigene Einschätzungen werden beiseite geschoben, nur um die Kunden zufrieden zu stellen.


A kommt für mich persönlich nicht in Frage, obwohl mir der Reiz daran sehr bewusst ist.
B kommt noch viel weniger in Frage.
Der Alltag in der Realität sieht so aus, dass man mit jedem Kunden und jedem neuen Projekt die individuelle "Wohlfühlposition" oder wenigstens eine "Arbeitsposition" für beide zwischen den beiden Polen finden muss.

Edit: Ein paar andere Tätowierer können hier doch auch etwas zu ihren Sichtweisen schreiben...
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Re: Qualität - objektive und subjektive Warnehmung

Beitragvon aaargh! » 14.07.2012 23:57

K-ink-Man hat geschrieben:aaargh wenn ich dich für einen Tattoonazi halten würde, dann würde ich doch wohl kaum meine Zeit in so ein Gespräch stecken. Was dazu noch als echtes Gespräch sicher wesentlich einfacher wäre als in dieser Form.


Haha, ja, ich wollte nur sagen, dass ich das normalerweise auch relativ entspannt sehe :D
Aber Du hast Recht, in einem echten Gespräch wäre es mit Sicherheit einfacher gewesen.

Punkt eins ist doch längst abgehakt. Punkt zwei auch, da sind wir im Fazit gleicher Meinung, das ist nicht zeitgemäß.


OK, jetzt kam es auch bei mir an :D

Kurz danach dachte ich "Hm, Mist, das, was ich meine, ist möglicherweise viel zu abstrakt.." Es tut mir leid, wenn ich dir einen Stich versetzt habe.


Keine Sorge, alles ist gut!

Ich denke, wir sind alle der Ansicht, dass 'Qualität' ein Sammelbegriff von verschiedenen Bausteinen ist, die handwerklichen Grundlagen ist nur einer davon. [...]


Ja, sicher... ich denke, dass ich nach wie vor subjektiv anders werte als Du, aber das ist ja auch völlig klar bei unserem sehr unterschiedlichen Background.

Also - ich sehe nicht alles was Du siehst, sowohl manche positiven, als auch manche negativen Aspekte.

Um
siehst Du dort die [handwerklichen] Grundlagen, die Du von einem Tätowierer erwartest?
zu beantworten: Ja, das sehe ich. Die handwerklichen Anforderungen sind da.


Das zum Beispiel :D Aber ich glaube Dir natürlich trotzdem, dass es so ist.

Selbst bei Ebay ist eine Bewertung differenzierter. Und damit informativer und aussagekräftiger.


Absolut.

Wohingegen auch z.B. aus einer Rose theoretisch ein eigenständiger Burner werden könnte...


Das sehe ich auch so und das wurde uns ja hier auch schon das ein oder andere Mal vor Augen geführt.

Edit: Ein paar andere Tätowierer können hier doch auch etwas zu ihren Sichtweisen schreiben...


Da würden hier sicherlich alle begrüßen :D
Vielen Dank nochmal für Deine Mühe und Deine offenen Worte!
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Re: Qualität - objektive und subjektive Warnehmung

Beitragvon *fran* » 15.07.2012 17:13

Für die Entwicklung jedes einzelnen Tätowierers und damit der gesamten Branche sind diese vier Optionen natürlich nicht gleichwertig oder gleichbedeutend. Da bin ich ganz bei dir. Aber die allerwenigsten Kunden sind dazu bereit, ihren eigenen Körper im Dienste des Fortschritts und der Entwicklung der Tätowierkunst für Experimente oder die freie Entfaltung des künstlerischen Egos zur Verfügung zu stellen.
Denn das sind die zwei Pole:
A: Entweder ist der Kunde ein Objekt, ein lebendes Medium, und so ziemlich alle Entscheidungen liegen beim Tätowierer.
B: Oder der Tätowierer ist nur das ausführende Organ, alle Entscheidungen liegen beim Kunden. Genau das, was du hier bescheibst:
Relativismus wäre gefährlich, da es gerade zu diesen Gleichgültigkeit führen kann. In extremfall macht man allesgenau so was der Kunde haben möchte, ohne wenn und aber. Eigene Entwicklung, eigene Überzeugungen und eigene Einschätzungen werden beiseite geschoben, nur um die Kunden zufrieden zu stellen.

Das mit den zwei "Polen der Kontrolle und Entscheidungsmacht" ist doch sowieso der Knackpunkt überhaupt. Niemand macht sich zuvor darüber bewusst Gedanken, dabei ist das nicht nur entscheidend dafür, wie die Tätowierung hinterher aussehen wird, sondern auch wie zufrieden beide(!) Beteiligten hinterher und auf lange Sicht sowohl mit dem Ergebnis, als auch mit dem Erleben sind.
Je nach individueller Konstellation, als Wertvorstellungen+Ziele des Tätowierers und Wertvorstellungen+Ziele des Trägers, fällt alles unterschiedlich aus. Das kann weit auseinander liegen, es kann ausgeglichen sein. Und selbst wenn es ausgeglichen ist, also beide perfekt zueinander passen, kann dieser "Matchpoint" (oder Wohlfühlposition, wie Denis es nennt) auf jedem beliebigen Punkt zwischen A und B liegen.

Vor kurzem gab es hier schon genau darüber ein kleines Gespräch, wo schon einige ihre eigenen etwas unterschiedlichen Positionen zwischen A und B formuliert haben.
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