in den 12 jahren meines werdegangs als tätowiererin - den ich ja nicht beschreiben darf, weil er unanständig und gefährlich zu veröffentlichen sein soll, ist mir ein soziales phänomen (phänomän??) aufgefallen, das mich von anfang an beschäftigt hat.
sobald man eine tätowiermaschine in der hand hält, und ansetzt, jemanden anzustechen, wird man, egal ob mans kann, oder nicht, zum helden für seine opfer und deren soziales umfeld. wenn man dann auch noch eine brauchbare optik auf seiner haut anbringt, wird die "anbetung" zementiert. (wenn mans nicht kann, wird man irgendwann zum erzfeind, aber das ist ein anderes kapitel)
dabei ist es vollkommen wurscht, wie man persönlich drauf ist, was man daherredet, wie man lebt, ob man ein arschloch ist, oder nicht - man ist heldenhaft. wurscht wie man als mensch drauf ist - man ist ein held. das wirkt sich sogar auf die sexuelle anziehungskraft aus.
ich sehe meine arbeit als dienstleistung, und zwar als eine mit einer gewaltigen verantwortung. ich fühle mich nicht als heldin. ich diene. die sonderbare verehrung, die mir viele kunden entgegenbringen, bringt meine realität oft genug heftigst durcheinander. das heißt, ich muß mich bewußt von den projektionen meiner kunden wieder runterholen, und mir sagen, du bist eine ganz normale frau, die was kann, was echt viele leute wollen.
für mich bin ich deswegen nicht heldenhaft. ich hab mit einigen kollegen auch darüber geredet, männlichen kollegen. die finden das witzig, suhlen sich darin, und hinterfragen es meistens erst, wenn ich sie drauf anred. manche sind durch den einfluß der energien der verehrung der opfer (kunden, wenns besser klingt) schon ziemlich abgehoben. zu manchen komm ich mit dem thema nicht mehr hin, die sind schon so out of space, daß sie sich einbilden, diese verehrung redlich verdient haben.
talent zum zeichnen und die fähigkeit, ohne hemmungen anderen weh zu tun sind ja kein verdienst des ausführunden, das ist vom schicksal mitgegeben wie die haarfarbe. der eine hats, der andere kriegts nie. für mein talent hab ich ja nie etwas getan, ich habs nur ausgebaut. eine gabe ist kein verdienst, also auch keine grundlage für die bewunderung der mitmenschen. so wie auch die zugehörigkeit zu einer ethnie kein grund ist, darauf stolz zu sein.
ich kann nicht behaupten, daß ich diesen gesellschaftlichen status nicht genieße, aber ich versteh nicht, wo der herkommt, warum ich ihn hab.
oft weiß ich auch nicht, wie ich damit umgehen soll, und oft ist es mir auch peinlich, wenn leute mir mehr zutrauen, als ich mir selbst (technisch und schöpferisch. das wort kunst möchte ich vermeiden, da ich der ansicht bin, daß es durch die moderne kunst heruntergezogen worden ist - da scheißen irgendwelche leute auf eine leinwand, malen strichmanderln damit, und sind große künstler - können tuns nix und verdienen sich deppat). oft fühl ich mich auch überfordert.
liebe potentielle kunden, was sagts ihr dazu?
liebe kollegen, wie gehts ihr damit um?
ich würd mich freuen, wenn ihr was dazu zu sagen habts - passive und aktive freunde des tätowierens.
Edited By veronika on 03 März 2004 at 01:47