von EmBe » 03.12.2007 13:03
bitte sehr..
Und es begab sich zu jener Zeit, als die Menschen ihres natürlichen Aussehens überdrüssig wurden und versuchten, mit Hilfe spitzer Gegenstände, sich Zeichen und Muster in die Haut zu stechen oder diese gar vollends zu durchlöchern, um allerlei güldenen Tand darin zu befestigen.
Einmal im Jahr, wenn sich der Zyklus dem Ende neigte und Väterchen Frost alles in seiner eisigen Faust inne hielt, sollten sich die Besten ihrer Zunft versammeln um den von nah und fern zusammenströmenden, wohl geneigten Publikum, ihre Kunst zu demonstrieren. Abgerundet wurde die Festivität durch Tanz, Gesang und mehr oder weniger berauschenden Getränken. Eine lange Tradition war diesem Feste beschert und lange vor Beginn eilte diesem sein guter Ruf voraus?
So, oder ähnlich könnte der diesjährige Bericht zur Tattoo Convention in Berlin aussehen. Okay, es waren einige Stars der Szene anwesend, es waren sehr viele Besucher gekommen, das Rahmenprogramm war in Ordnung, Ski King war, wie immer, spitze.
Aber irgendwas war anders. Es war so, als ob man sich auf ein Geschenk eines wohlhabenden Onkels gefreut hat und nach dem Auspacken waren bloß drei paar Socken drin. Von guter Qualität zwar, aber sie wollten nicht passen, egal wie man sie drehte und wendete, sie kamen nicht in Form und die Ferse war schon ausgeleiert.
Ich habe im Nachhinein mit einigen Leuten gesprochen und wir versuchten zu ergründen, warum uns diesmal ein schaler Nachgeschmack im Mund zurück blieb. Leider wurde die Messe kurzfristig von der wesentlich größeren Arena in das Huxleys verlegt - und das hatte Auswirkungen.
Huxley`s Neue Welt ist eine schicke Halle mit Gastronomie, schön renoviert, funkelnd und viel zu klein für eine Veranstaltung dieser Dimension.
Was am Freitag an Publikum zu wenig war, war am Samstag zu viel. Als wir die Halle betreten wollten, war nur noch Blockabfertigung möglich. Endlich am Eingang vorbei, schoben wir uns bis zur Garderobe vor, um dort gesagt zu bekommen, das diese voll sei und wir warten müssten, bis jemand seine Kleidung abgeholt hätte.
Weiter in die Halle selbst, versuchten wir uns einen groben Überblick zu verschaffen und eine Runde zu drehen. Es war einfach nicht möglich. Der gastronomische Bereich war ebenfalls völlig überlaufen. Schon am frühen Abend platzte die Location schließlich aus allen Nähten - selbst im angrenzenden Café Echo, in dem Samstag Abend auch die After Show Party stattfand, war es trotz zahlreicher Tische und zwei Etagen nicht möglich, einen freien Stuhl geschweige denn einen freien Tisch zu ergattern, um in Ruhe ein Bier zu trinken.
Die einzelnen Tattoo Stände waren sehr klein und es hatte alles ein bisschen den Charme einer Legebatterie. Dieses Phänomen beobachte ich schon eine geraume Zeit, zuletzt in Wien und nun auch in Berlin. Liebe Veranstalter, wenn ihr die Tätowierer weiter so einpfercht und den Kunden kein Platz mehr bleibt sich in Ruhe umzusehen, braucht ihr Euch nicht wundern, wenn Euch die Artists ausbleiben und Conventionen sterben. Für 17 Euro Eintritt erwarte ich eine entsprechende Gegenleistung! Auch die Artists, die Unsummen für einen Stand bei Euch berappen müssen, sollten entsprechend hofiert werden. Die Zeiten in denen man von Vorschusslorbeeren leben konnte, sind vorbei!
Das Line Up der Messe konnte sich aber sehen lassen. Robert Hernandez, Boris aus Ungarn, Apocalypse Tattoo, Christian Benvenuto aus Argentinien, Alex de Pase aus Italien, Evil from the Needle aus England, House of Pain aus Schweden, Last Rites aus den USA (Paul Booth habe ich allerdings nicht gesichtet), Psycho Tattoo aus Israel, Valhalla-Tattoo aus Finnland etc. etc.
3rd Eye Tattoo und Alien Tattoo aus Polen, Ivo & Zhivko Bloody Blue Tattoo, Bekus Art Style, J.Ribeiro Tattoo, Milosch Tattoo und Tribo Tattoo aus der Tschechischen Republik, Baradim Tattoo aus Russland und Locomotive Tattoo aus Ungarn.
Und auch die weiblichen Tattoo-Artists lassen sich mehr und mehr auf Conventions sichten: Simone aus dem Studio Buena Vista aus Würzburg, Miss Nico, Astrid von Drauf und Dran aus Frankfurt, Yulee von Naked Trust, Tschiggy aus Berlin, um nur einige zu nennen.
Was mich bei diesen hochkarätigen Künstlern erstaunte, war, dass einige, trotz dieser Menschenmassen, nicht viel zu tun hatten. Lag es daran, das den Leuten der Euro allgemein nicht mehr so locker sitzt? Ich weiß es nicht, aber ich weiß, dass 17 Euro Eintritt ganz schön gesalzen sind. Von den Getränkepreisen ganz zu schweigen. Ich sah viele Besucher, die sich außerhalb der Halle in den umliegenden Gaststätten verköstigten, um dann wieder in die Halle zurück zu kehren.
Zurück zum Geschehen. Moderiert wurde das Ganze wie immer sehr gut und souverän von Detter und für alle die ihn noch nicht kennen, seht Euch die Show von Ski King an. Zurecht hat die Halle bei diesem außergewöhnlichen Talent getobt.
Mehr erwartet hatte ich von den angekündigten Tattoo-Artists, die traditionelle Techniken vorführen wollten. Entweder war es mir einfach durch die Menschenmassen nicht möglich, diese zu finden oder sie waren nicht anwesend. Da half mir das Programmheft übrigens auch nicht weiter - in dem Plan waren nämlich die Nummern der Stände eingezeichnet, aber leider fehlte die Legende dazu, welcher Künstler nun an welchem Stand zu finden wäre.
Wie bereits im letzten Jahr, fanden sich wieder diverse Künstler, die auf der Bühne und live vor dem Publikum an der Artfusion teilnahmen. Die so entstandenen Kunstwerke wurden anschließend zugunsten Berliner Straßenkinder versteigert und sind nach der Convention weiterhin in der Galerie Zeitzone zu bewundern.
Eher weniger Anklang fand die Wahl der Tattoo Queen 2006 - nur wenige Mädels schien der Preis - Flug, Hotel und Eintritt für die Convention in Milano - verlockend genug zu sein, um sich auf der Bühne zu präsentieren.
Ein für mich nach wie vor unverständlicher Part einer Convention ist der Tattoo Contest, der zu einem großen Teil am Samstagabend stattfand. Ich kann mich daran erinnern, dass es Zeiten gab, wo schon bei der Anmeldung zu einem Contest darauf geachtet wurde, dass das jeweilige Tattoo auch in der richtigen Kategorie präsentiert wurde. Dies war hier nicht der Fall, was dazu führte, dass ein Portrait in der Kategorie ?Best small? präsentiert wurde und im Gegensatz dazu eine (zugegebenermaßen wirklich sehr gute und detaillierte) Fantasyfratze in der Kategorie ?Portrait?. Das alles wäre an sich eigentlich noch nicht so schlimm, wenn die Jury dann auch berücksichtigen würde, dass ein Bild in der falschen Kategorie ist und es dementsprechend nicht bewerten würde. Wenn eine Fantasyfratze allerdings einen Preis für ein Portrait erhält, ist dies schlicht und einfach falsch. So wäre durchaus zu überlegen, diese Art der Anmeldung wieder einzuführen, um solche Fehler zu vermeiden.
Viele Besucher waren bestürzt, dass am Samstagabend einige Künstler Ihre Stände schon um 21 Uhr geschlossen hatten. Dies ist aber verständlich wenn man sich die Besuchermassen und die dementsprechende schlechte Luft in der Halle vor Augen hält. Da wird die Kopfschmerztablette zum besten Freund des Ausstellers.
Zu guter letzt nun einen persönlichen Eindruck von uns. Berlin gehört zu den wichtigsten Messen in Europa und es wäre schade, wenn das der Abgesang einer guten Veranstaltung gewesen wäre. Das hat sie nicht verdient. Aber leider war das dieses Jahr nur eine drei minus.