Hallo n8ght,
mein post sollte nicht reißerisch klingen. Vielleicht habe ich einfach eine
unglückliche Formulierung gewählt!? Habe den Begriff des "Coachings" eigentlich nur
gewählt, da man in Deutschland ja nicht von einer Ausbildung sprechen kann, weil der
Ausbildungsberuf Tätowierer bei uns eben kein solcher ist. Und Ausbildung trifft es halt auch nicht!
Zunächst einmal zu mir: Ich bin 32 Jahre jung und habe nach meinem Abitur, mein
Studium abgebrochen und bin vom tiefsten Schwarzwald nach Köln gezogen. Ein sehr
tolerante Stadt mit tollen und liebenswürdigen Menschen! Hier habe ich mich nach
meiner Berufsausbildung bei einer freien Kunstschule eingeschrieben, die ich mehrere
Jahre besucht habe. Man hat mir immer Talent nachgesagt, aber erst die Schule half
mir meine zeichnerischen und malerischen Fähigkeiten auszubauen. Ich hatte mich schon
immer für das tätowieren interessiert. Mein Vater war stark tätowiert auf die gute
alte Art, old-school eben. Ich hatte mir mein erstes Tattoo mit 18/19 Jahren stechen
lassen. So begann ich schließlich mich mit der Materie auseinanderzusetzen. Ich las
unglaublich viel, hauptsächlich englischsprachige Literatur, zum Thema, schaute
Videos im Internet. Schließlich kaufte ich mir die ersten Coils. Ich wusste das die
Dinger Schrott waren. Aber es half mir die Funktionsweise der Maschinen zu verstehen,
die ich auseinandernahm, wiederzusammensetzte, verbesserte usw. Schließlich
investierte ich mein Geld in qualitativ hochwertige Coils, ein vernünftiges Netzteil
usw. So vergingen Monate, bevor ich überhaupt einen Strich zog. Ich fing an auf
Übungshaut zu stechen, schließlich übte ich an mir selbst. So lange bis ich die
Grundtechniken beherrschte.
Schließlich stach ich einige kleine Tattoos an meinem Bruder und einigen Freunden. In
Folge dessen bekam ich die Gelegenheit in einigen Studios zu arbeiten. Leider hatten
die meisten Tätowierer nicht wirklich viel für einen Neuling übrig. Vorurteile,
Scheuklappen und ausgefahrene Ellenbogen waren normal. Es schlug einem sehr viel
feindseeligkeit entgegen, was ich im Nachhinein sehr schade finde! So blieb ich trotz
dieser Möglichkeiten weitestgehend Autodidakt. Nachdem eine Tätowiererin, bei der ich
arbeitete, beschloss aufzuhören, fasste ich den Entschluss mein eigenes Ding zu
machen. So eröffnete ich 2013 mein eigenes Studio in der Kölner Innenstadt. Ich
investierte eine Menge Zeit, Geld, Schweiß, Blut und Tränen in die Sache. Ich bin
Vegetarier, lebe Alkohol und Drogenfrei. Gesundheit und Fitness waren für mich immer eine unbedingte Vorraussetzung war um den Job gewissenhaft auszuüben!
Auch wenn Dir meine Arbeiten nicht gefallen, gelang es mir damit eine Menge Leute glücklich zu machen und trotz horrender Mieten meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Andere glücklich zu machen sollte der Antrieb jeden Handelns sein.
Ich besserte eine Menge ungewollte und sehr schlechte Tätowierungen aus und machte Cover-Ups im Rahmen meiner Möglichkeiten.
Wofür ich sehr viel Dankbarkeit positive Resonanz bekam, das hat mir unglaublich viel
gegeben! Geld war für mich dabei immer nebensächlich...
Ende letzten Jahres fing es plötzlich an mir schlecht zu gehen. Im Frühjahr diesen
Jahres wurde ich schließlich krank, verbrachte den gesamten Sommer in einer Klinik.
Meinen Job als Tätowierer kann ich aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht
mehr ausüben.
Von vielen meiner Kunden bekomme ich bis heute eine Menge Unterstützung und
aufbauende Worte. Erst wenn die Gesundheit leidet merkt man worauf es wirklich
ankommt im Leben. Nämlich Herzenswärme, Liebe und Mitgefühl! In der Klinik fasste ich
also den Entschluss etwas selbstloses zu tun, für andere. Ich fragte mich, wie ich
die Erfahrungen, die ich mir in den letzten Jahren hart erarbeitet hatte nutzen und
anderen zugänglich machen kann, so dass mir die Jahre und die Investitionen und Opfer
nicht als sinnlos erschienen. Utilisation eben!
Es geht hier also nicht um Profit. Auch nicht darum irgendjemandem zu versprechen,
dass er in 2 Wochen zum Tätowierer wird. Vielmehr ist mir und sollte jedem der das
wirklich lernen möchte klar sein, dass es ein Prozess wird, der Jahre und eine Menge
Geduld und Fleiss erfordert. Eine Zeitvorgabe würde ich daher nicht festlegen. Ich
denke jeder braucht die Zeit die er benötigt. Jeder Jeck is anders, wie der Kölner
sagt! Ich will und werde auch nicht der einzige Lehrer für so jemanden sein. Ich kann
und will nur das vermitteln, was ich selbst sicher beherrsche. Ich habe ganz sicher
meine Grenzen! Ich war beim tätowieren noch weit davon entfernt, perfekt oder ein
Vollblutsprofi zu sein. Dafür habe ich viel zu viel Respekt vor den "alten Hasen",
als dass ich das behaupten würde.
Demnach würde ich zunächst einmal bei den zeichnerischen und gestalterischen
Fähigkeiten ansetzen und versuchen dort Wissen zu vermitteln.
Was macht ein gutes Tattoo, eine gute Stencil aus. Denn was ich nicht zu Papier
bringen kann, das schaffe ich auf Haut schon zweimal nicht! Tätowierstile und
Merkmale; Sehr viel Theorie über Maschinen, wie sind Coils aufgebaut, worauf kommt es
an bei der Einstellung als Liner, Shader, Colorpacker an; Worin besteht der
Unterschied zu Rotaries; Nadeltypen, Stärke, Schliffe, Was nutze ich für welche
Arbeitsschritte; Dermatologisches Wissen; Sauberkeit am Arbeitsplatz und
Infektionsschutz; Farblehre; Was sieht die Tätowiermittelverordnung vor; Gewaltfreie
Kommunikation, Kommunikation mit Kunden. Social Skills sind hier sehr wichtig!
Vorbereitung einer Tätowierung/Stencil; Nachsorge, Pflege, Pflegeprodukte; Was
passiert mit der Tätowierfarbe im Körper, wo sind Risiken; Wie bleibt eine
Tätowierung möglichst lange schön... So wird erst einmal eine Menge Zeit vergehen,
bis überhaupt an synthetischen Materialien geübt wird. Für wilde Eigenexperimente,
bei denen Leute zu Schaden kommen habe ich keine Sympathien!
Auch ein Lehrer muss sich sein Lehrmaterial erst einmal erarbeiten, so dass es
strukturiert und verständlich ist. Das wird auch eine Menge Zeit und Geduld
meinerseits erfordern. Es geht mir wie gesagt darum, einigen wenigen Leuten die
Talent und Ehrgeiz haben eine Chance zu geben. Sich vor allem richtig einzuschätzen
und diese ein Stück weit auf ihrem Weg zu begleiten, so lange und so fern ich von
Nutzen sein kann und somit eine Möglichkeit zu bieten, die ich selbst so leider nie
bekommen habe. Und das ein Schüler seinen Lehrer übertrifft sollte Vorraussetzung
sein! Ich möchte einfach etwas zurück geben von all der positiven Zuwendung die ich
in letzter Zeit erfahren habe!
So, ich denke das reicht erst einmal an dieser Stelle. Ich will mich weder
rechtfertigen noch irgendwen überzeugen. Denke an dieser Stelle macht es auch Sinn,
wenn Du den post einfach löschst, da er durch deine vorhergegangene Kritik sowieso
sinnlos geworden ist, da sich nun niemand mehr trauen wird darauf einzugehen! Falls
Du aus Köln sein solltest und es mich und mein Studio dann noch gibt, bist Du recht
herzlich willkommen mal auf einen Kaffee vorbeizuschauen! Ich danke Dir für deine
Arbeit hier im Forum und Ciao!
