Unserer heutigen Welt ist es fremd geworden“. Zur theoretischen Konzeption von Tätowierungen am Beispiel der Darstellung Tätowierter bei Walther Schönfeld*
IGoR EBERHARD
http://www.academia.edu/3651481/_This_i ... umans_GER_
Moderatoren: MartiAri, BassSultan
"I’ll make a tattoo from my lover’s blood / and shame every rose in the green garden." –Malalai, Pashtun poet and woman warrior
"...this landay mentions a tattoo — khal — which women used to receive at birth to ward off the evil eye. These days, baby girls are much less likely to be tattooed, as the practice is considered superstitious and un-Islamic. The faces of older Pashtun women, however, are dotted with these rough-hewn circles, moons, and flowers: living reminders of another time."
http://www.poetryfoundation.org/media/landays.html
This is one of the many raw, earthy "landays" (folk couplets) that women in Afghanistan have been singing to one another for centuries—singing in secret, for to be discovered would be to risk a beating. . . possibly even death.
25. Oktober 1956, DIE ZEIT
Euren Körper den Fachleuten
RH., Hamburg
Das Lokal liegt in einer stillen Straße im Schatten der Reeperbahn. Es hat nicht einmal einen Namen. Die häßlichste Farbe, die sich zwischen rot und braun denken läßt, schmückt einen Teil der Wände, während andere von dem preßmusterverzierten Material bedeckt sind, das unter dem Namen Linkrusta ein Bestseller unter den Geschmacksgreueln der Vergangenheit war. Eine trübe, wirtschaftswunderlose Szenerie.
Die Wunder hier sind anderer Art. Hinter einem kleinen grünen Vorhang zur Linken ist das „Atelier moderner Tätowierungen“. Dort wirkt der Prof. Electric Tattooing Artist, der „König der Tätowierer“.
„Halten Sie mal Ihre Hand her“, sagt er, „es krabbelt nur ein bißchen.“ Er fährt mit einer Art von Zahnarztbohrer dem Besucher über die Hand – und wenn jetzt Farbe im Apparat gewesen wäre, stünde da für alle Zeiten „St. Pauli“.
Aber es war nur eine unverbindliche Probe, und wer wird sich schon so ein einfaches Wort tätowieren lassen. Da gibt es doch ganz wunderbare Dinge zur Auswahl.
„Alles,was der männliche Körper ausdrücken soll, steche ich ein: Politik, Erotik, Athletik, Ästhetik. Elektrisch schnell in allen Farben.“ Bei einem Glas Grog blättern wir im Musterbuch. Von der Politik ist nichts zu finden. Sie ist anscheinend der konkurrierenden Reklamezeile zum Opfer gefallen, die lautet: „Meine Tätowierungen dauern über den Tod hinaus.“ Da können sich im politischen Motiv doch zu leicht Schwierigkeiten ergeben.
„Ich hab’ ja alles gemacht, wissen Sie, Bismarck hab’ ich eintätowiert, Lenin und Stalin – aber Hitler nie! Ich hatte einen Obersturmbannführer, der ließ sich eine Menge Hakenkreuze machen. Ich hab’ ihn immer gewarnt, aber er meinte ja, das dauerte tausend Jahre.“
Da ist die Erotik doch was Dauerhafteres. Wie anmutig nimmt sich das vom Schwert durchbohrte Herz aus, das des Seemanns linke Brusthälfte ziert! Aber risikolos ist auch diese Sparte nicht. Da steht, für die breite Bildfläche eines Rückens entworfen, ein braver Seemann in trauter Umarmung mit einer Geisha; doch sie, die ihn innig küßt, verbirgt ein Messer hinter dem Rücken. Vorsicht, Seemann, gib acht!
Wir blättern uns zu noch umfangreicheren Kunstwerken vor. „Ich mag diesen kleinen Krümelkram nicht“, sagt der Künstler und weist auf das Photo eines von einem ausländischen Konkurrenten verzierten Männerarmes, „bei mir muß es ein geschlossenes Bild ergeben. Erst dann ist es eine Kunst.“
Er weist auf die Bilder von Kunden, die er „unter der Nadel hatte“. Da erblickt man Männer und Frauen, die von Kopf bis Fuß bekleidet zu sein scheinen. Doch was man sieht, ist ihre Haut, bedeck: nur mit den Werken des Königs der Tätowierer „Aber so was will eben gekonnt sein.“
„Gebt euren Körper nicht in die Hände von Pfuschern!“ warnt er auf seiner Reklamekarte. Die; ist exakte Arbeit; Bild reiht sich an Bild. Ein großes Kreuz bedeckt den Rücken eines Mannes, und an den Querbalken klammert sich eine ertrinkende Frau: Der Arm des Tätowierten trägt die Bildgeschichte seines Lebens, ein Schiff gehört dazu, ein süßes Mädchen im roten Kleid, ein grüner Hügel, durch Stein und Aufschrift als „Muttergrab“ gekennzeichnet, ein Bündel Fahnen – vielleicht die Farben der Länder, die der Seemann sah. Und auf der Schulter prangt ein Seestück, rosenumwunden.
„Das bedeutet: auf einem Seemannsgrab, da blühen keine Rosen“, erklärt der Künstler. Ein Pinup-Grab gewissermaßen.
„Ich tätowiere nun schon 46 Jahre. Und wenn ich sollte mal so’n klein bißchen verschwinden, dann erbt mein jüngster Enkel das Geschäft. Der übt schon tüchtig, und für ihn hab ich noch ein kleines Stück auf meinem rechten Bein freigelassen.“ Vielleicht ist der Zwölfjährige schon auf Motivsuche für seines Großvaters Bein?
http://www.zeit.de/1956/43/euren-koerper-den-fachleuten
K-ink-Man hat geschrieben:Alle Informationen sind (versteckt in einer immensen Menge von Quark) jederzeit verfügbar!
die Tätowierungen der Berber
Moussa Lebkiri ist ein französischer Schauspieler algerischer Abstammung. Er erklärt uns heute die rätselhaften Tätowierungen die manche nordafrikanischen Frauen tragen.
Heute Morgen, als ich in dem Pariser Viertel Belleville auf dem Markt einkaufte, fiel mein Blick auf eine tätowierte Frau. Vielleicht hätte ich sie gar nicht bemerkt, hätte sie meiner Großmutter nicht zum Verwechseln ähnlich gesehen. Der gleiche Blick, der gleiche Gesichtsausdruck, vor allem aber die gleichen blauen Tätowierungen auf Kinn, Hals und Stirn.
Sie sollten wissen, dass wir in meiner Familie Berber sind, wir sind Algerier, aber keine Araber. Meine Oma war wie ein Buch. Mit neugierigen Kinderaugen versenkte ich mich ich diese seltsame Schrift aus Rauten, Vierecken, Sternen, Kreuzen, Punkten, Kreisen, Dreiecken, Spiralen, Halbmonden … ich war verzaubert. Doch ich verstand die Zeichen nicht, denn in der Schule lernten wir diese Sprache nicht. Ich traute mich auch nicht, meine Mutter, die nicht tätowiert war, nach ihrer Bedeutung zu fragen, vielleicht handelte es sich ja um ein Frauengeheimnis, eine Art Kabbala oder hatte gar etwas mit den Djinn zu tun, diesen Geistern unserer Fantasiewelten.
Bei den Berbern gehören die Tätowierungen zu den heidnischen Riten, sie haben mit Hexerei und Zauberei zu tun, wie ich heute weiß. Man nennt das "El-âyacha" – "der zum Leben erweckt". Ich sehe noch vor mir, wie meine Großmutter "El-âyacha El-âyacha" flüstert, den Zeigefinger auf der Tätowierung am Hals, so als beschwöre sie den Hauch ihres Lebens. Meine Großmutter war tatsächlich eine Hexe, eine Wunderheilerin, Spezialistin für den bösen Blick und als solche zu jeder Tages- und Nachtzeit sehr gefragt. Eine Tätowierung bewirkt vielerlei: Sie ist dekorativ, beschützt, hat soziale und medizinische Tugenden. Sie hilft sogar gegen Kopfschmerzen oder Arthrose. Ich erinnere mich noch, wie ich meine Großmutter beobachtete, als sie für bestimmte Tätowierungen Wasser oder Blut mit pflanzlichen Pigmenten mischte, Kohle zum Beispiel…
Schauen wir uns noch einmal die Frau an, die ich heute auf dem Markt sah. Sehen Sie das Zeichen auf ihrer rechten Wange? Es symbolisiert Gott, oder, poetischer ausgedrückt: einen Stern, dessen Licht die Menschen in der Nacht führt. Das bedeutet, dass diese Frau nach Gerechtigkeit und Wahrheit strebt. Das Kreuz steht für Licht und Offenheit. Sehen Sie hier die Rosette auf ihrer Stirn, eine Rosette aus zwei Dreiecken: Ein nach oben gerichtetes Dreieck symbolisiert Feuer und Männlichkeit, ein nach unten gerichtetes Dreieck Wasser und Weiblichkeit. Gehen wir etwas näher heran. Sehen Sie das Quadrat am Halsansatz? Es steht für das Haus, damit sagt sie, dass ihr Harmonie und Ausgewogenheit in ihrer Familie wichtig sind.
Der Halbmond, er symbolisiert die Materie, die geboren wird, wächst und stirbt; die Spirale, die ewige Harmonie; der Kreis, das Absolute; die Palmen auf der Stirn, die Muttergöttin; eine vertikale Linie, Gott und das Leben, oder das erste Werkzeug des Menschen; zwei Linien, die Dualität zwischen Gut und Böse, die in uns allen schlummert; das Kreuz, die Beine oder die Arme des Menschen; es gibt viele solcher Zeichen, zumal jeder Berberstamm seine eigenen Tätowierungen hat… Denken Sie jetzt nicht, dass diese Tätowierungen Frauen vorbehalten sind, auch Männer tätowieren sich Stirn, Kinn, Wangen, Handrücken und Schläfen mit Pigmenten.
Sie fragen jetzt, ob diese Tätowierungen etwas mit dem Islam zu tun haben? Mitnichten. Es sind Berberituale aus der vorislamischen Zeit. Der Koran verbietet nämlich Verstümmelungen, jegliche Veränderung an Gottes Werk. Aber gut, man darf das nicht so streng sehen, es gibt immer eine Lösung, indem man sich zum Beispiel mit Henna tätowiert, das nicht ewig bleibt, entgeht man dem Zorn Gottes…
Text: Moussa Lebkiri
Bild: Elsa Perry