Aaaalso, da ja ein kurzer Bericht gewünscht wurde, werde ich mal versuchen, zwei überaus interessante Tage knapp zusammenzufassen:
Die erste Erkenntnis: Eigentlich weiss man nach wie vor überraschend wenig über die Gefahren des Tätowierens. Derzeitg weitgehend gesichert scheint zu sein, dass Tattoofarben - wenn einmal eingebracht - sich ein Leben lang im Körper verbreiten (das wusste ich aber auch schon vor dem Seminar). Anhand der Biopsie des Gewebes von Lebenden und von Leichen kann man davon ausgehen, daß im Laufe des normalen Lebenszyklus rund 80% der Tattoofarbe letztlich "verloren geht". Wohin genau? Keiner weiss es. Definitiv findet sich Tattoofarbe in den Lymphknoten. Wir konnten lustige Fotos von bunten Lymphknoten besichtigen. Ob das ein gesundheitliches Problem darstellt? Keiner weiss es.
Insgesamt herrscht eine erhebliche Unsicherheit was die Auswirkungen von Farbenbestandteilen auf die Gesundheit angeht. Dabei sind nicht einmal so sehr diese selbst ein Problem (obwohl z.B. die Verwendung einiger Metalle in Pigmenten wie z.B. Nickel potentiell allergieauslösend sein können) als die "Spaltprodukte" die durch UV-Bestrahlung und vor allem Laserbestrahlung entstehen können. Tattoofarben sind eben in erheblichem Maße UV-empfindlich und schon bei bloßer Tageslichteinstahlung lassen sich reduktive Spaltungen von manchen Azzopigmenten in aromatische Amine nachweisen - was das allerdings im Ergebnis für den Körper bedeutet? Keiner weiss es.
Was sich wohl nach derzeitigem Kenntnisstand nicht nachweisen lässt, ist ein direkter Zusammenhang zwischen Tätowierungen und Krebserkrankungen. Der Typ, der dazu referierte meinte, aus seiner Sicht sei die größte Gefahr bei Tätowierungen, sich eine Gurke abzuholen..
Spannend war aus meiner Sicht auch der Vortrag zu allergischen Reaktionen. Klar ist, daß solche auftreten. Es scheint auch so zu sein, daß Rottöne hier besonders anfällig sind (was z.B. allergische Reaktionen auf Nickel in den Farben als eher unwahrscheinlich erscheinen lässt, weil Nickel in Rot nicht enthalten ist). Was man nicht weiss, worauf jetzt genau allergisch reagiert wird. Zumal hier teilweise ganz absurde Effekte zu beobachten sind. Es wurde von einem Fall berichtet, in dem eine Frau ein recht großes "Blumenarrangement" auf dem Bein hatte und dieses über Jahre problos trug. Unmittelbar nachdem sie sich noch einen Phönix auf's Schulterblatt hatte stechen lassen, reagierten die Blüten auf dem Bein allergisch.
In 5 Fällen in denen die verwendete Farbe "gesichert" werden konnte, reagierten Patienten zwar auf die eingebrachte Farbe allergisch, nicht jedoch auf einen Patch-Test mit der Farbe.
Crazy shit...
Natürlich wurde auch das Thema Hygiene in Studios und bei der Farbenherstellung (allerdings recht oberflächlich) behandelt. Hier sorgte vor allem die Forderung nach Single-Use-Units bei Farben für einigen Unmut bei den wenigen anwesenden Farbenherstellern und Tätowierern. Spannend war, daß sich Infektionen offenbar gar nicht so selten durch die Verwendung von unsterilem Wasser zur Verdünnung von Schwarztönen ergaben. Die nicht seltene Benutzung von destilliertem Wasser wurde hier kritisiert, weil dieses eben gerade nicht steril ist (da ist wohl jede Flasche Wasser vom Büdchen besser geeignet).
Auch ganz interessant (vor allem für mich) waren die Vorträge zu den unterschiedlichen rechtlichen Regulationen in verschiedenen Ländern. EU und BRD waren jetzt nicht wirklich neu für mich, aber zum Beispiel die Lage in den USA ist schon ganz krass: Die dortige Referentin erklärte erst wortreich, daß dort Pigmente immer für bestimmte Nutzungsarten zugelassen werden müssen (Nahrung, Lacke, Kosmetik etc). Ich habe dann gefragt, ob dort dann die Zulassung als Kosmetikprodukt für die Tattofarbenherstellung ausreicht. Das wurde verneint - hier sei ausdrücklich eine Zulassung für Tätowierfarben erforderlich. ich habe dann weiter gefragt, welche Pigmente dort für eine solche Verwendung zugelassen seien - die Antwort: "Not a single one. We know they are being used, but it's illegal". Das ist mal ne klare Ansage..
Tatsächlich wird die Verwendung der heute verfügbaren Pigmente von der Industrie für Tattoofarben nicht empfohlen. Auch hier scheint der Hauptgrund das Auftreten von Laserentfernungen zu sein.
Es gab noch zig andere spannende Sachen zu hören. Von der Problematik von Tattoofarbenbestandteilen in Nanogröße über die Entwicklung von "ummantelten" Tattopigmenten bis zu den aktuell neusten Laserentfernungstechniken wurde sehr viel geboten.
Etwas aus der Reihe hat auch der "Tattoo-Hunter" Dr. Lars Krutak einen sehr spannenden Vortrag über traditionelle Tattoos gehalten. Was für ein interessanter, gebildeter und lustiger Kerl... Es waren da einige junge Wissenschaftlerinnen anwesend, deren Reaktionen sehr lustig zu beobachten waren...
Die anschließende Podiumsdiskussion hat dann irgendwie auch meine Wenigkeit auf's Podium gespült.. aber da war der Saal eh schon halbleer..
Insgesamt wurde tatsächlich viel weniger Tattoo-Bashing betrieben, als ich er erwartet hätte. Eine durchaus positive Erfahrung
Wie immer bei solchen Veranstaltung war dann natürlich das Treffen alter und neuer netter Menschen besonders lustig. "Wir" von ProTattoo und E.A.P.P waren ja schon zu mehreren vorhanden und da auch D.O.T., das TM, einige Supplier (Wildcat, TattooSafe) und Farbenhersteller (Bullets) und sogar ein Studio (Classic Tattoo) bzw ihre Repräsentanten da waren hatte man definitiv genug Leute um ein wenig dummes Zeug zu erzählen und abends das ein oder andere Kaltgetränk zu sich zu nehmen.
War also - alles zusammengefasst - spannd, lustig, teils überraschend und sehr anstrengend. Bin gestern jedenfalls wie tot ins Bett gefallen.
Expect nothing..