Kolumne: Buchstabensuppentattoos

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Kolumne: Buchstabensuppentattoos

Beitragvon thINK » 08.05.2013 13:01

Ich habe in meinem letzten Urlaub angefangen an einem Buch zu schreiben und möchte Euch sozusagen als Teaser ein Kapitel(chen) vorab zum lesen geben... es wird noch dauern bis das ganze Werk fertig ist... :wink:

Buchstabensuppe

Ein neuer Tattootrend rollt derzeit über mein Studio hinweg: "Buchstabensuppentattoos". Diese "neuen" Tattoodesigns sind wahrscheinlich auch Spätfolgen der erfolgreichen und beim Zuschauer wohl beliebten Serien wie Miami-Ink die einem suggerieren, daß ein Tattoo nur dann "Sinn" macht wenn eine tiefgründige Bedeutung dahinter steckt. Was viele dabei übersehen ist, daß die einzelnen "Kunden" in diesen Serien im Vorfeld gecastet werden. Sprich jeder Interessent der sich innerhalb dieser Fernsehserie tätowieren lassen will, muss vorher einen Fragebogen ausfüllen auf welchem auch nach den Hintergründen und der tieferen Bedeutung des gewünschten Hautbildes gefragt wird. Anhand der Antworten auf diesem "Bewerbungszettel" werden dann die einzelnen Kandidaten ausgewählt. Dabei spielen natürlich die Größe und der Aufwand des gewünschten Tattoos eine Rolle, aber vor allem auch die Geschichten dazu. Durch die versprechen sich die Macher dieser Formate höhere Einschaltquoten. Dem ein oder anderen Zuschauer drängt sich allerdings die Annahme auf, das ein Tattoo nur dann toll ist, wenn sich eine dramatische Geschichte oder zumindest eine tiefschürfende Bedeutung dahinter verbirgt. Anders kann ich mir zumindest die massive Zunahme von "Buchstabensuppentattoos" nicht erklähren. Falls Sie, lieber Leser, nicht wissen wovon ich spreche, es geht um die Tattoos bei denen Buchstaben für den nicht eingeweihten Betrachter, sinnlos aneinander gereiht werden. Zumeist sollen diese Kreationen Familientattoos darstellen: also für jedes Familienmitglied jeweils einen Buchstaben...vorzugsweise den ersten Buchstaben des Vornamens. Die Kunden die mit solch einer Idee zu mir ins Studio kommen haben es zumeist nicht leicht. Das darauf folgende Gespräch verläuft zumeist so oder so ähnlich:
"Also, Du möchtest für jedes Familienmitglied einen Buchstaben?"
"Ja"
"Für wen lässt Du Dich denn tätowieren"
"Für mich natürlich"
"Natürlich, und Du hast Angst, daß Du die Namen Deiner Eltern und Geschwister irgendwann einmal vergessen könntest?"
"Ääähhh wieso?"
"Naja, mit den einzelnen Anfangsbuchstaben hast Du dann wenigstens einen Anhaltspunkt...wobei so wirklich ist Dir dann auch nicht geholfen, da Du ja dann wahrscheinlich auch nicht mehr weisst welcher Buchstabe zu wem gehört"
"Hääää?...Wie jetzt?"
"Naja, glaubst Du daß Du Dich später nur durch die Anfangsbuchstaben ihrer Vornamen an sie erinnern kannst, bzw. die Buchstaben dann noch richtig zuordnest?"
"So ein Unsinn, natürlich kann ich mich an meine Familienmitglieder erinnern, sie sind mir schließlich wichtig...ich werde mich immer an sie erinnern können!"
"Bist Du Dir da ganz sicher?"
"Natürlich, was soll die doofe Frage?"
"Glaubst Du, Du wüsstest auch noch wie sie heißen ohne das Du Buchstaben als Hilfestellung hättest?"
"Sicher, was denkst Du denn?"
"dann frage ich Dich: Warum willst Du dann Buchstaben tätowiert haben?"
"...ähhhhh?"
Leider setzt an dieser Stelle bei den wenigsten Kunden die Einsicht ein. Zumeist drehen wir uns danach mit unseren Argumenten etwas im Kreis, bis es mir irgendwann zu doof wird, ich einfach nachgebe und versuche aus den mir vorgegebenen Buchstaben wenigstens etwas optisch ansprechendes zu basteln. Manchmal kommt die Einsicht bei meinen Kunden etwas Zeitverzögert. Gerne erinnere mich in diesem Zusammenhang an Katha. Die wollte zu Anfang auch unbedingt eine Komposition aus drei Buchstaben, für jedes ihrer Kinder einen. Stilistisch sollte das Tattoo grob in Richtung Jugendstil gehen. Ich hatte relativ schnell aufgegeben dagegenzureden, denn wie schon einmal erwähnt sind Mütter in solchen Fällen eher hartnäckig beim Verteidigen ihres Tattoowunsches. Um so erfreuter war ich, als ich zwei Tage später von ihr eine Mail erhielt in welcher sie mir vorschlug den bisherigen Plan über den Haufen zu werfen und anstelle des Buchstabensalates etwas anderes zu stechen." Es wurde dann eine an eine Büste von Mucha angelehnte Dame mit zufriedenem Gesichtsausdruck. Den Kopf der Dame ziert eine art Krone, in welcher drei kleine Steine eingearbeitet sind, wobei jeder dieser Steine für eins ihrer Kinder steht. Ich habe keinen Zweifel daran, daß sie auch ohne Buchstaben die Namen ihrer Kinder nie vergessen wird.
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Re: Kolumne: Buchstabensuppentattoos

Beitragvon n8ght » 08.05.2013 13:06

Ich sagte es dir ja schon persönlich:
Großartige Geschichte... inkl. Hauptdarstellerin, die mir sehr ans Herz gewachsen ist! (auch wenn sie viel zu weit weg wohnt :? )

Viel Spaß beim weiteren Schreiben! Bin seeeeeeehr gespannt, was da so für Geschichten zusammenkommen. :mrgreen:
K-ink-Man hat geschrieben:Alle Informationen sind (versteckt in einer immensen Menge von Quark) jederzeit verfügbar!
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Re: Kolumne: Buchstabensuppentattoos

Beitragvon hausschwamm » 08.05.2013 13:08

oh ich bin sehr gespannt auf dein vorhaben! gerne mehr!!

und das von katha wusste ich noch gar nicht, oder hab ich es verdrängt? egal. tolle geschichte.
dobermann hat geschrieben:...Es ist ein tattoo was man bekommt und kein fucking baby!!!Als nächstes kommt vorberitungstrainigsturnen fürs arschgeweihtattoo oder was???...
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Re: Kolumne: Buchstabensuppentattoos

Beitragvon rotbaer » 08.05.2013 13:09

Schöner Text! :D Vor allem da am Schluß eine viel bessere Alternative angeboten wird. Bin neugierig auf mehr!
Ich ironiere so lange bis ich einen Sarkasmus bekomme!
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Re: Kolumne: Buchstabensuppentattoos

Beitragvon rockkat » 08.05.2013 13:14

haha, sehr gute kombi. schön geschrieben und du hast mich grade zum lachen gebracht (kollege guckt scho ganz komisch)
nigs
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Re: Kolumne: Buchstabensuppentattoos

Beitragvon Nanun » 08.05.2013 14:02

:lol: :lol: äh ja... aber ich bin ja lernfähig. Dazu muss man sagen, dass Axel nicht viele Worte braucht um einen hundert Dinge ins Gesicht zu schleudern. Hättet ihr diesen Gesichtsausdruck gesehen, als er mir den ersten Entwurf für meine Buchstaben zeichnete, weia...
Das hat mich schon auf dem Heimweg zum Nachdenken gebracht.. ich bin jedenfalls sehr sehr sehr glücklich über eben jenen Gesichtsausdruck von Axel und über die darauf folgende Erkenntnis und den Sinneswandel meinerseits.

Diese Grande Dame ist um so vieles schöner als ein paar Buchstaben. Und die Namen meiner Kinder sind sowieso nicht wirklich festgeschrieben. Das wechselt ja von Rotzaffe, über Mausi, Scheißerchen, Schnuffel und Murkel bis hin zu ihren echten Namen mehrmals täglich - je nach Stimmung.. :mrgreen: :mrgreen:
Die Stimmen außerhalb meines Kopfes irritieren mich am meisten....

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Re: Kolumne: Buchstabensuppentattoos

Beitragvon Buddha_Eyes » 08.05.2013 18:30

:mrgreen: :mrgreen:
Sehr schön! :lol:
Expect nothing..
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Re: Kolumne: Buchstabensuppentattoos

Beitragvon Macavity » 10.05.2013 14:15

Sehr schön, gefällt mir! :) Freu mich auf mehr von dir!
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Re: Kolumne: Buchstabensuppentattoos

Beitragvon Casso » 11.05.2013 14:59

Ein wirklich unterhaltsames Kapitelchen und ich freue mich auch auf mehr von dir! Hintergrund ist wirklich aus dem Alltag gegriffen und überzeugend. Schön finde ich es, wie die Hauptdarstellerin deines Textes ein wirklich tolles Motiv bekommen hat. So viel schöner als drei unterschiedlich angeordnete Buchstaben.

Grüße.
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Re: Kolumne: Buchstabensuppentattoos

Beitragvon METAHOLIC » 11.05.2013 15:05

thINK hat geschrieben:Den Kopf der Dame ziert eine art Krone, in welcher drei kleine Steine eingearbeitet sind, wobei jeder dieser Steine für eins ihrer Kinder steht.
Ich finde das Tattoo sehr schön, aber seine 3 Kinder in 3 Steine hineininterpretieren, finde ich auch etwas zu bedeutungsschwanger! :wink:
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