Leude, alles locker sehen! In einem anderen Zusammenhang habe ich mich mal folgendermaßen zu EMO geäußert:
Emo
Ich dachte eigentlich ? nein, besser: ich war mir ziemlich sicher, nie ein Wort über diese gescheiterte Subkultur ?EMO" verlieren zu müssen, da ich lange der festen Überzeugung war, dass sich dieses Problem irgendwann von selbst erledigt: Irgendwann, so nahm ich an in meiner jugendlichen Ahnungslosigkeit, bringen sich eh alle ?EMO's" beim Hören ihres Jammergesangs um oder stechen sich mit einem Kajalstift in ihre eh schon zerheulten Augen und verbluten schließlich qualvoll ? was dann ja auch wieder auf den Tod hinausgelaufen wäre.
Ein Trugschluss, wie ich jeden Tag auf's Neue feststellen muss. Denn nach wie vor säumen viel zu viele von diesen abgefuckten Blagen die Straßen dieser Republik! Nach wie vor starren sie zu hunderten traurig und mit sinnentleertem Blick auf den dreckigen Boden der Straßenbahnen! Nach wie vor kaufen sie sich Kirsch-Haarbänder, ziehen zwei T-Shirts übereinander an und tragen solche Schuhe ohne Sohlen, die sogar in den Sammelbehältern der Caritas verboten sind.
Nicht selten erwische ich mich dabei, wie ich mich frage, ob meine Eltern in den späten 70er, 80er oder 90er Jahren das Gleiche gedacht haben, als plötzlich die Rocker oder die Skins auftauchten. Oder die Punks?!? Haben meine Erzeuger im Zuge der Sexpistols vielleicht alles verteufelt, was rote Haare hatte, Springerstiefel, Sicherheitsnadeln in der Fresse und schlechte Tätowierungen unter der nach Bier stinkenden Haut?! Sollte sich die Geschichte einfach nur wiederholen? Ist ?EMO" einfach nur das, was die ehemalige Spaßgesellschaft verdient: suizidgefährdete Blagen mit schlechtem Musikgeschmack und viel zu engen Hosen an den Fesseln? Sind die "I hate myself"-Jünger mit den kalkweißen und ausdruckslosen Gesichtern die absolut logische Konsequenz der guten, alten Generation X?
Vielleicht täte man im Feuilleton der FAZ gut daran, einmal die Subkulturen auf ihr Motto, ihre Philosophie, ihr Credo ? kurz: ihren Inhalt ? hin zu überprüfen und mit ?EMO" zu vergleichen. Denn jede Subkultur hatte bis heute schließlich einen Satz, auf den ihr Ansinnen der Wiedererkennbarkeit halber (oder meinetwegen auch zu Vermarktungszwecken) zu reduzieren war (vorausgesetzt, man hatte ein Ansinnen). Und wenn es nur war: ?Schieß doch, Bulle!", ?Skate or Die" oder die mehr oder minder rhetorisch formulierte Frage: ?Wer verrät uns nie ? die Anarchie!"
Der Vergleich dessen mit ?EMO" würde kurz ausfallen, denn ?EMOS" sind so sensibel, traurig, gefühlvoll und verzweifelt, die bekommen nicht mal einen solchen Satz zustande. Keine politische Forderung, kein Material für ein Demospruchband, keine mahnenden Worte an die Gesellschaft. Nicht mal ein geseufzstes ?Ich erschieß mich jetzt, Bulle!" Stattdessen traurige und ahnungslose Gesichter, wohin das Auge reicht. Wenn die lethargische ?EMO"-Jugend von heute die bruttosozialprodukterzeugende Gesellschaft von morgen darstellen soll ? und darauf wird es hinauslaufen; es sei denn, die ?EMOS" begehen Kollektivselbstmord ?, füllt sich mein Gesicht mit Tränen und ich werde nachdenklich. Falten legen sich auf meine Stirn, ich bin kurz davor ?My Chemical Romance" auf den MP3-Player zu spielen. Heulen könnte ich. Vielleicht wird ein Tuch mit Kirschen meine Tränen trocknen?