Ok. Ich spreche jetzt für mich, was ich sage betrifft alleine mich und meinen Laden.
Was ich sagen will, ist es nicht auch irgendwie hausgemacht, die Sternchen und die Bluemchen und oder die Nieschen in denen argumentiert wird, dass es halt Tagesgeschaeft ist und wenn sie nur duerften, Sie sehr sehr coole Ideen haetten wenn jemand fragen wuerde
Ich beklage mich nicht über schlichte oder kleine oder sonstwie gängige Tattoos. Wenn ich sie nicht machen wollte würde ich das sagen. Bei uns werden pro Woche 30-50 Leute nochmal zum Überlegen weggeschickt, weil sie Sachen wollen die technisch Quark oder in Größe/Platzierung Quark sind und nur 4-5 wo ich kein Bock auf das Motiv habe (Onkelzkram und so).
Ich sage es nochmal: Das sind fremde Körper mit einem eigenen Willen und DIE müssen damit ein Leben lang klarkommen. Ich habe hier ne Art Ruf als "Blumenkönig". Und auch die, die nur eine einzelne kleine Kirschblüte haben wollen haben das Recht, das Teil gut gestochen zu bekommen. Wer bin ich, dass ich das für unter meiner Würde halten würde?
Und ja, ich bin ein Arbeitstier. Ich tätowiere 5-6 Tage in der Woche mit entweder zwei 3-3,5Std. Terminen oder mehreren kleinen am Tag.
Von imagemäßiger Terminkalenderaufbauscherei halte ich nichts, und auch nicht von bevorzugter Behandlung von "Bock-Motiven" oder Kumpels.
Selbst wenn jetzt jemand mit einem tollen Wunsch käme, ich könnte ihn nicht vorziehen, der müsste genauso wie jemand mit drei Kanji warten, momentan ist bis Mitte September dicht.
Wer anzahlt bekommt einen Termin, und die Motive werden der Reihe nach vorbereitet.
Aber Vorfreude ist die schönste Freude, und so wie hier die Leute ihren Terminen entgegenfiebern geht es auch mir immer wieder.
Also wenn alleine schon aus so nem flapsigen Thread n paar Spaeschen von Gummienten, Roboter und, let's say, neotraditional Asiasleeves, grosse Augen auf der Kundenseite wachsen, koennt ich mir vorstellen, dass sehr wohl da n Markt fuer da ist, wenn man sich trauen wuerde die sichere Schiene und eingefahrene Trampelpfade zu verlassen
Also erstmal ist das für mich gar nicht flapsig. Wenns flapsig wäre würde ich nicht so viel schreiben. Was denkst du, was wir jeden Tag tun?
Täglich werden dutzende Leute beraten. Richtig beraten, so dass man sich am Abend ganz leergeplappert fühlt. Wir sind eine Ideen-Fabrik mit mittlerweile drei sehr guten Zeichnern (*fran*, Am0k und ich).
Trotzdem können und wollen wir niemandem vorschreiben, was er sich zu tätowieren hat. Wir können Alternativen vorschlagen und sagen, was weswegen wie und wo geeignet oder weniger geeignet ist, aber die Entscheidung hat der Kunde alleine zu treffen.
Ich werde niemals in meinem Leben alle Ideen auch nur auf Papier bringen können, geschweige denn tätowieren.
Auch wenn man den mittlerweile abermillionsten Stern in kuerzester Zeit in Perfektion stechen kann, obwohl eben jener welche das nicht ausgesuchte taeglich Brot ist, sondern es irgendwie wurde. Dass man sich nichtmehr so energisch bewegt wie damals und es einfach mitnimmt, weil eben die Kuehlschraenke auch damit vollgemacht werden koennen...
Ich weiß nicht, was das für ein Bild ist. Ich muss sagen, dass ich heute mit den vielen Kunden und unterschiedlichen Wünschen weit mehr künstlerische Freiheit fühle als in den ersten Jahren meiner Selbständigkeit.
Weil immer die Rede von Rechnungen zahlen, Tagesgeschaeft bestreiten, Kuehlschraenken und und und die Rede ist... Lass uns mal ehrlich sein; Jede Stunde, die ein Taetowierer was zu machen hat, ist fuer jeden anderen Normalo hier ne echt dicke Hausnummer! Nur mal als Beispiel: Meine Frau ist Fremdsprachenkorrepsondentin, unterrichtet an diversen Instituten und geht als Freiberufler mit ~20€ die Stunde heim. Sie koennte aber auch ohne mich ueberleben und muesste nicht den Hungertod erleiden... und sie ist weitaus keine 8h am Tag ausgelastet.
Das hatten wir doch schon mehrmals...
Erstmal: Was ist denn so verwerflich am Geld verdienen? Es verdient doch jeder gerne Geld.
Ich habe keine Ahnung, wie deine Frau rechnet. Sicher ist, dass bei der Tätigkeit keine Gewerbesteuer anfällt und ihre Ausgaben werden sich auch in Grenzen halten. Trotzdem sollte sie bei einer richtigen Selbständigkeit, wo sie alleine für ihre Absicherung und Altersvorsorge zuständig ist, mind. 60, eher 80 nehmen. Wenn es sie interessiert: Es gibt zu solchen Dingen Beratungsangebote.
Ich habe einen bestimmten, betriebswirtschaftlich errechneten Mindestlohn, den ich nehmen muss. Wenn etwas sehr schwierig/kompliziert ist, nehme ich etwas mehr.
Davon führe ich Umsatzsteuer ab. Von jedem einzelnen Euro, in meinem Reich läuft nichts unter der Hand.
Ich habe Betriebskosten von 45000-50000,-€ pro Jahr.
Den größten Teil davon habe ich, egal ob ein Kunde kommt oder nicht.
Das ist einfach um den höchsten mir möglichen Sicherheitsstandard und Materialqualität und Farbauswahl etc. immer bereitzuhalten.
Auf das, was übrig bleibt zahle ich der Stadtkasse Gewerbesteuer.
Von dem, was dann übrig bleibt zahle ich Einkommensteuer und meine privaten Versicherungen zur Grundabsicherung.
Und erst dann kommen Miete, Essen und ein paar neue Schuhe.
Ich muss nicht mehr überlegen, ob ich mir die neuen Schuhe nächsten Monat, nächste Woche oder jetzt kaufen kann, und mit der Situation bin ich zufrieden.
Das ist einfach ein Denkfehler, dem viele Angestellte immer unterliegen:
Ich habe gerade für den Techniker für den Autoklav 137€/Stunde gezahlt.
Das ist das, was er gekostet hat, aber garantiert nicht das, was er verdient.
Dann ist aber auch immer die Überlegung:
Ist es das Wert? Ist, dass der die Verkleidung abnimmt und den Wassersensor wechselt 137€ wert?
Ist der halbe Koi-Rücken neun Stunden meines Lohns wert?
Man weiß es nicht....
Letztendlich habe ich nicht verstanden, was du sagen wolltest.
Und muss jetzt schlafen, Urlaub ist rum, morgen früh um 9 geht es wieder los...