Stockholm-Syndrom oder Nach der letzten Sitzung

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Stockholm-Syndrom oder Nach der letzten Sitzung

Beitragvon Theliseth » 19.02.2016 0:13

Also ihr wisst das ja noch nicht von mir, aber ich bin ein echter Gewohnheitsmensch und ich gewöhne mich vor allem sehr schnell an Menschen, weil ich sie immer sofort als Teil meines Lebens akzeptiere. (Jetzt wisst ihr es. :D) Dementsprechend schwer fallen mir Abschiede. Nachdem ich letzte Woche nach der vierten und letzten Sitzung an meinem Arm das Studio verlassen habe, habe ich mich echt komisch gefühlt. Das war's jetzt einfach, oder wie? Das letzte halbe Jahr hat mich ja total geprägt (ich denke nicht, dass ich euch das erklären muss ;)), ich verbinde damit jetzt jede Menge Eindrücke, Geräusche, Gerüche, dieser Mensch hat sich auf mir verewigt, dann waren da der Stress, die Schmerzen, die Gespräche, der Körperkontakt... Ihr kennt das ja. Als ich das am Montag meinem Kollegen erzählt habe, meinte er nur: "Stockholm-Syndrom, oder was?" Irgendwie finde ich das passend. :lol: Verliebt habe ich mich natürlich nicht, aber vielleicht versteht ihr ja, was ich meine?
Ich habe ja noch das Glück, meinen (ersten ;)) Tätowierer bald auf einer Convention noch einmal zu sehen und ihm ein kleines Geschenk mitbringen zu können. Aber dann ist es halt auch ganz vorbei. Wie geht es euch denn damit? Empfindet ihr das auch als komisch oder bin ich komisch? :D Ändert sich das nach dem zweiten/dritten/x-ten Tattoo?
Mich würde auch die Perspektive der Tätowierer selbst interessieren. Ein wenig kenne ich die durch meinen Beruf auch. Als Lehrerin hinterlasse ich einen prägenden Eindruck auf alle meine Schüler, aber selbst kann ich mich noch nichtmal an alle erinnern.

Irgendwie klingt das beim Durchlesen gerade theatralischer, als es gemeint ist. :D Ich freue mich trotzdem auf eure Berichte! :)
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Re: Stockholm-Syndrom oder Nach der letzten Sitzung

Beitragvon sid23 » 19.02.2016 11:01

Witzig. Ich hab ja noch eine Session, bis das aktuelle fertig ist, aber bei der Überlegung, wie es weitergehen soll, hat mich auch schonmal der Gedanke beschlichen, daß ich "meinem Stecher untreu wäre", wenn ich zu jemand anderem gehe. :lol: Is natürlich Quatsch und rührt bei mir vor allem auch ein bisschen daher, daß ich merke, daß ich später ein stimmiges Gesamtbild haben will. Sprich: Nicht zu viele Stile und Artists mischen. Da bietet es sich ja auch an, evtl. mehr als eines beim gleichen zu machen, wenn es paßt.

Umgedreht würde mich aber auch interessieren, wie es die Tätowierer sehen. Ich denke, je nach Verständnis auf persönlicher Ebene ist es halt nur ein Kunde bis hin zu einem neuen Freund. Für denjenigen ist es ja sicher auch nicht sooo die einzigartige Erfahrung, wie für denjenigen, der das nachher sein Leben lang hat. Gerade wenn's auch nicht nur eines von vielen ist.

jm2c. :wink:
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Re: Stockholm-Syndrom oder Nach der letzten Sitzung

Beitragvon lude » 19.02.2016 16:24

ich denke mal solche gedanken sind ganz normal, gerade wenn man sich das erste tattoo in mehreren sitzungen abholt und dieses vor allen dingen auch noch richtig perfekt geworden ist.

sich tätowieren zu lassen hat ja schon was "intimes" an sich (besserer begriff dafür fällt mir nicht ein) und ist ja irgendwie auch immer aufs neue eine besondere "ausnahmesituation"

gute tätowierer( also solche , die nicht um jeden kunden kämpfen müssen) muss man ja auch symphatisch sein. ansonsten besteht kein interessse am projekt bzw der stundenlohn hat sich auf einmal verdreifacht, oder so).

trotzdem ist man in erster linie erst einmal ein kunde für den tätowierer( bei einigen sogar nur die leinwand).der tätowierer hat halt soviele kunden im jahr.( und der kunde nur "einen" tätowierer) viele kunden werden ihm nur anhand seiner arbeiten in erinnerung bleiben andere zusätzlich dazu noch , dass man halt voll und ganz auf einer "wellenlänge"
harmonisiert hat.

hoffe ,ich konnte mich einigermaßen verständlich ausdrücken. :)
zum schweigen fehlen mir die passenden Worte ! :-)
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Re: Stockholm-Syndrom oder Nach der letzten Sitzung

Beitragvon Theliseth » 19.02.2016 16:54

Genau so ist es, lude. Wie gehst du denn damit um? Bist du da ganz nüchtern bei der Sache? :D
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Re: Stockholm-Syndrom oder Nach der letzten Sitzung

Beitragvon rockkat » 19.02.2016 18:11

Ich hatte auch schon den Gedanken "jetzt bleib ich immer bei dem" dann vergehen ein paar Wochen man sieht Bilder von anderen Künstlern und denkt: yeah, will ich haben
nigs
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Re: Stockholm-Syndrom oder Nach der letzten Sitzung

Beitragvon Herger » 19.02.2016 18:46

Theliseth hat geschrieben:Empfindet ihr das auch als komisch oder bin ich komisch? :D


Bild

:mrgreen:

Geht mir prinzipiell ähnlich, was mich jedoch trotzdem nicht hindert, verschiedene Künstler an mich zu lassen. Eigentlich doch voll schön, wenn man das Gefühl, was man bei einem hat, auch auf andere Tätowierer ausweiten kann! =)

Uuuund Conventions empfinde ich auch insofern echt praktisch, da sich tagsüber immer mal ne Gelegenheit für nen Schnack ergibt bzw. man nach der Con. auch einfach mal was snacken- oder feiern gehen kann.
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Re: Stockholm-Syndrom oder Nach der letzten Sitzung

Beitragvon Christine999 » 19.02.2016 19:13

Ich weiß genau, was du meinst!
Geht mir mit dem Steve Foster auch so...seit drei Jahren arbeitet er an meinem Arm und ich war irgendwie froh, dass wir in Zwickau nicht fertig geworden sind und uns noch mal sehen "müssen". Wir quatschen halt auch viel über privates, ich kenne und mag seine Frau, wir haben den gleichen Musikgeschmack und lachen sehr viel zusammen. Ich hab mit ihm extrem lange Sessions durch, was ohne die menschliche Verbindung gar nicht möglich gewesen wäre.
Für ein neues Projekt würde ich ihn trotzdem nicht auswählen, weil ich mich einfach weiter entwickelt und inzwischen andere Ansprüche habe.
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Re: Stockholm-Syndrom oder Nach der letzten Sitzung

Beitragvon lude » 19.02.2016 19:30

so wie ich es verstanden habe, geht es theli gar nicht darum sich mal von jemanden anderes ein tat2 abzuholen, sondern um den harten cut nach beendigung des projekts.vertraute studio atmosphäre, nette gespräche mit dem tätowierer den sie freundschaftlich lieb gewonnen hat.
zum schweigen fehlen mir die passenden Worte ! :-)
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Re: Stockholm-Syndrom oder Nach der letzten Sitzung

Beitragvon n8ght » 19.02.2016 19:59

Ich kann das auch total gut nachvollziehen!

Allerdings betrifft das nur meinen ersten Tätowierer. Denn für das erste Tattoo bin ich inkl Besprechungstermin acht Mal nach Karlsruhe gereist und das hat zumindest mich emotional schon sehr verbunden. Ich bin dem Tom immer noch sehr, sehr dankbar, dass er sich meiner angenommen hat und mein rechter Sleeve hat auch einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen. Ich fahre auch jetzt noch jährlich oder alle zwei Jahre nochmal bei ihm Studio vorbei, wenn ich beruflich in der Nähe bin und sage kurz Hallo. Und dann sage ich ihm auch immer noch, wie sehr ich ihn liebe. :mrgreen: Er ist dann immer ganz putzelig verlegen, aber ich habe das Gefühl, dass er sich da auch immer drüber freut.

Ich hab ihm zum Schluß ein relativ großes Geschenk gemacht. Ich habe einen Print eines recht bekannten japanischen Tätowierers aus Übersee einfliegen lassen, welches damals zugunsten von Fukushima käuflich zu erwerben war, und habe dafür noch extra einen Rahmen anfertigen lassen. Das Bild hängt noch immer über dem Tresen im Studio. Das finde ich ganz toll und freue mich jedes Mal, wenn ich vorbeikomme und es immer noch da ist.

Trotzdem gibt es für mich einfach zuviele tolle Stile und Tätowierer, als dass ich jemals ernsthaft darüber nachgedacht hätte, "für immer" bei ihm zu bleiben.
K-ink-Man hat geschrieben:Alle Informationen sind (versteckt in einer immensen Menge von Quark) jederzeit verfügbar!
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Re: Stockholm-Syndrom oder Nach der letzten Sitzung

Beitragvon Theliseth » 19.02.2016 20:00

Christine999 hat geschrieben:Für ein neues Projekt würde ich ihn trotzdem nicht auswählen, weil ich mich einfach weiter entwickelt und inzwischen andere Ansprüche habe.


Drei Jahre sind natürlich nochmal ne ganz andere Liga!

Aber ich denke auch, dass es falsch wäre, die eigene Tattoo-Auswahl von einer (einseitigen oder doch zumindest nur professionellen) Sympathie abhängig zu machen. Das ist irgendwie, als würde man der Liebe seines Lebens ein Leben lang vergeblich hinterherrennen und dabei das ganze Leben (und andere Lieben) an einem vorbeiziehen lassen. :lol:
Die Fälle, wo sich unter der Nadel wirklich Freundschaften entwickeln, schließe ich jetzt mal aus. :)
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Re: Stockholm-Syndrom oder Nach der letzten Sitzung

Beitragvon Der Wal » 19.02.2016 20:11

kann ich sehr gut nachvollziehen. Nach 7 Sitzungen beim Basti hab ich mir auch gedacht, die Zeit miteinander wird mir abgehen. Und, ich vermiss es tatsächlich.
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Re: Stockholm-Syndrom oder Nach der letzten Sitzung

Beitragvon Cybe » 22.02.2016 11:39

Ich kenne das auch. Zum Beispiel habe ich einen Kunden, den tätowiere ich schon seit fast einem Jahr. Er kommt ungefähr alle 6 Wochen und war auch mein allererster richtiger Kunde (hat mein 3. Tattoo bekommen).
Und ja, so langsam ist der 3/4 Sleeve halt fertig und ich weiß, dass ich es vermissen werde, wenn er nicht mehr kommt. Aber schönerweise hat er mir beim letzten Termin eröffnet, dass er aus dem 3/4 Sleeve jetzt doch einen fullsleeve machen möchte und danach den Rücken beginnen. Suchtbolzen :lol:
Übrigens geht mir das nicht nur bei meinen Kunden so, sondern auch teilweise bei denen von meinem Kollegen, wir sitzen halt sehr nah beieinander und so unterhalten wir uns öfters über Kreuz.

Es gibt aber auch noch die andere Version: Kunden bei denen man Projekte macht und sich freut, wenn sie fertig sind. Das hat weniger damit zutun, dass die Chemie nicht stimmt (dann tätowiere ich denjenigen nicht) sondern einfach, dass man nicht wirklich gemeinsame Themen hat oder man einfach nicht so den Draht zueinander hat.

Es kommt auch durchaus vor, dass Leute als Kunden kommen und dann irgendwann als Freunde bleiben. :)
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Re: Stockholm-Syndrom oder Nach der letzten Sitzung

Beitragvon Theliseth » 22.02.2016 13:38

Danke, Cybe, es ist schön, auch mal die andere Perspektive erzählt zu bekommen. Interessant, dass du sogar eine Bindung zu den Kunden deiner Kollegen aufbaust. :lol: Aber ich kann das verstehen, ginge mir wahrscheinlich auch so. Ich werde auch den Piercer des Ladens vermissen, der immer mal reinkam und mit seinen Geschichten für Erheiterung und Ablenkung von den Schmerzen gesorgt hat. :D
Aber ich glaube, ich habe auch ziemliches Suchtbolzenpotenzial und werde das Studio bestimmt nochmal wiedersehen. :lol: (Wenn ich dann auch nen Termin bekomme).
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Re: Stockholm-Syndrom oder Nach der letzten Sitzung

Beitragvon Buddha_Eyes » 22.02.2016 18:32

Ich kann das voll verstehen! Mir fällt das immer schwer, ein längeres Projekt zu beenden, einfach weil mir dann auch die regelmäßige Gesellschaft der betreffenden person an der Nadel fehlt. Ich gehe ja bei der Wahl der Tätowierer eh serh nach sympathie und danach, ob ich Bock darauf habe, mit einem Menschen relativ viel Zeit verbringen und ja auch irgendwie körperliche Nähe zulassen lassen möchte.
Ich freue mich z.B. sehr, dass ich zu eigentlich allen Leuten, die mir größere Sachen gestochen haben, noch regelmäßigen Kontakt habe. Das fände ich sonst echt blöd! Und ich freue mich auf so manches geplant Projekt auch schon wegen der Person, die es umsetzen soll.
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Re: Stockholm-Syndrom oder Nach der letzten Sitzung

Beitragvon Johnny18 » 22.02.2016 19:49

Komme mir beim Lesen des Threads fast ein wenig abgebrüht vor. :lol:
Bin sonst ein extrem herzlicher Mensch, aber beim Tätowieren kann ich das ganze wirklich erstaunlich professionell sehen. Ist für mich eine Dienstleistung, die ich in Anspruch nehme. Mehr nicht. Klar, es ist schon cool, wenn man mit dem Tätowierer menschlich klar kommt, aber wenn wir uns nichts zu erzählen habe, dann haue ich mir halt Kopfhörer rein und lese ein Buch während des Stechens.
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