Also ich habe seit 4 Jahren eine sehr rege Brieffreundschaft mit einem US-amerikanischen, mehrfach lebenslänglich verurteilten Straftäter, der seit fast 30 Jahren in Einzelhaft sitzt, davon schon über 10 Jahre im ADX in Florence, dem US Gefängnis mit der höchsten Sicherheitsstufe.
Diese Leute sind für jeden Kontakt mit der Aussenwelt dankbar. Die Haftbedingungen in den USA sind skandalös und einer westlichen Zivilisation unwürdig (außerdem hat die USA den höchsten Prozentsatz an eigener Bevölkerung weltweit eingesperrt). Je mehr Menschen davon wissen, desto besser.
Ich kann jeden nur ermutigen, mal ein paar Briefe zu schreiben, und eine andere Welt kennenzulernen. Die Langzeithäftlinge sind oft überdurchschnittlich gebildet, und sehr reflektiert ihren Taten gegenüber. Allerdings gibt es auch viele, die einfach nur Ihren Vorteil suchen, aber das betrifft eher Häftlinge, deren Entlassung absehbar ist.
Vorsichtig wäre ich eher Brieffreundschaften mit europäischen Häftlingen gegenüber, die dann vielleicht eines Tages ungebeten vor der Tür stehen.
Zur Opferdiskussion: Ist jemand, der als Kind von Alkoholikern zur Welt kommt, dann nach offensichtlicher Verwahrlosung in ein Erziehungheim kommt, wo bis in die 80er Jahre hinein (auch in Deutschland) die Schutzbefohlenen geschlagen und psychisch mißhandelt wurden, sexueller Mißbrauch durch Mitarbeiter und andere Heimkinder an der Tagesordnung war, dann mit 18 ohne Ausbildung auf die Straße gesetzt und quasi sich selbst überlassen wurde, nicht auch ein Opfer? Seiner Eltern, des Staates, und der Gesellschaft? Warum sollte der mehr Mitleid haben, und reflektierter sein, als jemand, der sorgfältig und liebevoll groß gezogen wurde? Ist das nicht etwas zu viel verlangt?
Ist der nicht öfter Opfer gewesen als jemand, den er vielleicht ausgeraubt hat, dem es aber sonst in seinem Leben immer gut ging?
Ich möchte hier keine Straftaten verteidigen, Gewalt ist immer verkehrt, aber ich möchte mich in der Strafrechtsdiskussion nicht von der Fage nach dem "Wie/Warum kam es zur Tat" verabschieden. Wenn man nur noch mechanistisch entscheidet, Verbrechen x = Strafe y, dann brauchen wir bald keine Richter mehr. Allerdings würde dann auch Herrn Hoeneß zwingend eine mehrjährige Haftstrafe bevorstehen

da alles glück und leid der wesen bedingtem wirken entspringt, wisse, dass die früchte des tuns und lassens unvermeidlich sind.
gampopa