Zum vorangegangenen Thread von Dobermann mache ich einen neuen auf, sozusagen als Gegengewicht. Vieleicht fallen euch ja auch Situationen ein, wo ihr von völlig unerwarteter Seite positive Reaktionen bekommen habt.
Mir ist beim Einkaufen mal eine ältere Dame begegnet, Typ Rüschenblüschen mit Brosche, die mir erst so lange auf die Unterarme starrte, daß ich schon mit einer abfälligen Bemerkung gerechnet habe. Aber nein, sie blinzelt mir nur verschwörerisch zu, zieht die Bluse zur Seite und zeigt mir eine uralte Rosentätowierung. Blinzelt nochmal und verschwindet lächelnd und ohne ein Wort.
Wer das TM liest, hat vielleicht auch den Artikel gelesen, in dem ein Gefängnisdirektor einen Tätowierer dafür bezahlt hat, Knast- und Nazitattoos zu covern, weil er bemerkt hat, daß die Akzeptanz von Tätowierungen sehr mit der professionellen Qualität der Ausführung zusammenhängt, und den Inhaftierten damit 1. die Resozialisierung erleichtern wollte und zweitens dem Steuerzahler Geld gespart hat, weil Nazi-Tattoos sonst weggelasert werden müssten und das erheblich teurer ist. Das fand ich ziemlich cool.
Und wenn ich ehrlich bin, habe auch ich Vorurteile, dann nämlich, wenn man den Tätowierungen den Knast deutlich ansieht oder wenn es die erwähnten Nazitattoos sind. Allerdings richten sich dann die Vorurteile nicht gegen das Tätowiertsein an sich, und ich lasse sie mir auch nicht anmerken, sondern gegen die Überschreitung von Grenzen, die überhaupt dazu geführt haben, daß der Träger im Knast gelandet ist, bzw gegen die politische Haltung, die dahintersteht.
Und ich denke, so differenziert gesehen kann sich da keiner von freisprechen. Immer nur die Frage, wie man damit umgeht.